Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Urteil, mit dem eine von der Europäischen Kommission verhängte Geldbuße herabgesetzt wird. Erstattung des rechtsgrundlos vereinnahmten Betrags durch die Kommission. Pflicht zur Zahlung von Zinsen. Einstufung. Pauschale Entschädigung für die Vorenthaltung der Nutzung des rechtsgrundlos gezahlten Betrags der Geldbuße. Anwendbarer Zinssatz
Normenkette
AEUV Art. 266, 340
Beteiligte
Kommission/ Deutsche Telekom |
Tenor
1.Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2.Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache C-221/22 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 28. März 2022,
Europäische Kommission,vertreten durch D. Calleja Crespo, N. Khan, B. Martenczuk, P. Rossi und L. Wildpanner als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Deutsche Telekom AGmit Sitz in Bonn (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. von Köckritz, P. Lohs und U. Soltész,
Klägerin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, C. Lycourgos, E. Regan, F. Biltgen, N. Piçarra und Z. Csehi (Berichterstatter) sowie des Richters P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi, der Richter N. Jääskinen und N. Wahl, der Richterin I. Ziemele und der Richter J. Passer und D. Gratsias,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2023,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. November 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die teilweise Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 19. Januar 2022, Deutsche Telekom/Kommission (T-610/19, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022:15), mit dem das Gericht die Kommission dazu verurteilt hat, der Deutschen Telekom AG zum Ersatz des ihr entstandenen Schadens eine Entschädigung in Höhe von 1 750 522,83 Euro zu zahlen, den Beschluss der Kommission vom 28. Juni 2019, mit dem sie sich weigerte, der Deutschen Telekom Verzugszinsen zu zahlen (im Folgenden: streitiger Beschluss), für nichtig erklärt und die Klage der Deutschen Telekom im Übrigen abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Haushaltsordnung von 2012
Rz. 2
Art. 78 („Feststellung von Forderungen“) der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung von 2012) bestimmte in Abs. 4:
„Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 210 zur Festlegung detaillierter Vorschriften über die Feststellung von Forderungen, einschließlich der Verfahren und Belege sowie Verzugszinsen, zu erlassen.“
Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1268/2012
Rz. 3
Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union (ABl. 2012, L 362, S. 1) wurde von der Kommission u. a. auf der Grundlage von Art. 78 Abs. 4 der Haushaltsordnung von 2012 erlassen.
Rz. 4
In Art. 83 („Verzugszinsen“) der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 hieß es:
„(1) Unbeschadet der besonderen Bestimmungen, die aus der Anwendung sektorspezifischer Regelungen resultieren, sind für jede bei Ablauf der in Artikel 80 Absatz 3 Buchstabe b genannten Frist nicht beglichene Schuld Zinsen gemäß den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels zu zahlen.
(2) Auf die bei Ablauf der in Artikel 80 Absatz 3 Buchstabe b genannten Frist nicht beglichenen Schulden wird der von der Europäischen Zentralbank [(EZB)] für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte zugrunde gelegte und am ersten Kalendertag des Fälligkeitsmonats geltende Zinssatz angewandt, der imAmtsblatt der Europäischen Union, Reihe C [(im Folgenden: Refinanzierungszinssatz der EZB)], veröffentlicht wird, zuzüglich
a) acht Prozentpunkte, wenn es sich bei dem die Forderung begründenden Tatbestand um einen öffentlichen Liefer- oder Dienstleistungsauftrag gemäß Titel V handelt;
b) dreieinhalb Prozentpunkte in allen übrigen Fällen.
(3) Der Zinsbetrag wird berechnet ab dem Kalendertag nach dem Ablauf der in Artikel 80 Absatz 3 Buchstabe b genannten und in der Zahlungsaufforderung festgesetzten Frist bis zu dem Kalendertag, an dem der geschuldete Betrag vollständig gezahlt wurde.
Die Einziehungsanordnung für den Betrag der Verzugszinsen wird zum Zeitpunkt des Erhalts der Zinsen ausgestellt.
(4) Hinterlegt im Fall einer Geldbuße der Schuldner eine Sicherheit, die der Rechnungsführer anstelle einer Zahlun...