Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlagefragen in einem Rechtsstreit wegen der Übereinstimmung nationaler Rechtsvorschriften über den Betrieb und die Ausübung von Glücks- oder Geldspielen mit dem Gemeinschaftsrecht. Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem allgemeinen innerstaatlichen Recht. Tätigkeit des Betriebs von Glücks- oder Geldspielautomaten im Rahmen der Regelung des freien Warenverkehrs. Glücksspiele als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 2 EGV. Betrieb von Glücksspielautomaten als eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 49ff EGV

 

Normenkette

EGVtr Art. 2, 28-29, 31, 49

 

Beteiligte

Anomar u.a

Associação Nacional de Operadores de Máquinas Recreativas (Anomar) u. a

Estado português

 

Verfahrensgang

Tribunal Cível da Comarca Lissabon (Portugal)

 

Tenor

1. Glücksspiele stellen eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 2 EG dar.

2. Die Tätigkeit des Betriebs von Glücksspielautomaten ist unabhängig davon, ob sie sich von den die Herstellung, die Einfuhr und den Vertrieb derartiger Geräte betreffenden Tätigkeiten trennen lässt, als Dienstleistung im Sinne des Vertrages zu qualifizieren und kann daher nicht unter die Artikel 28 EG und 29 EG über den freien Warenverkehr fallen.

3. Ein Monopol für die Veranstaltung von Glücksspielen fällt nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 31 EG.

4. Eine nationale gesetzliche Regelung wie die portugiesische gesetzliche Regelung, die die Veranstaltung von und die Teilnahme an Glücksspielen nur in den Kasinosälen zulässt, die in den durch Decreto-Lei eingerichteten dauernden oder vorübergehenden Spielzonen vorhanden sind, und die unterschiedslos für portugiesische Staatsangehörige und für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten gilt, stellt eine Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Die Artikel 49 EG ff. stehen aber einer solchen nationalen gesetzlichen Regelung in Anbetracht der Erwägungen der Sozialpolitik und der Betrugsvorbeugung, auf die sie gestützt ist, nicht entgegen.

5. Der Umstand, dass es eventuell in anderen Mitgliedstaaten gesetzliche Regelungen über die Voraussetzung der Veranstaltung von und der Teilnahme an Glücksspielen gibt, die weniger einschränkend als die in der portugiesischen gesetzlichen Regelung vorgesehenen sind, ist für die Vereinbarkeit der letztgenannten Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht unerheblich.

6. Im Rahmen einer mit dem EG-Vertrag vereinbaren gesetzlichen Regelung ist die Wahl der Bedingungen für die Organisation und die Kontrolle der Tätigkeiten der Veranstaltungen von und der Teilnahme an Glücksspielen, wie z. B. der Abschluss eines verwaltungsrechtlichen Konzessionsvertrags mit dem Staat oder die Beschränkung der Veranstaltung von und der Teilnahme an bestimmten Spielen auf ordnungsgemäß dafür zugelassene Orte, Sache der nationalen Stellen im Rahmen ihres Ermessens.

 

Gründe

1.

Das Tribunal Cível da Comarca Lissabon hat mit Beschluss vom 25. Mai 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Januar 2001, gemäß Artikel 234 EG dreizehn Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 EG, 28 EG, 29 EG, 31 EG und 49 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der in Lissabon niedergelassenen Associação National de Operadores de Máquinas Recreativas (im Folgenden: Anomar) sowie acht portugiesischen Handelsgesellschaften, die sich mit dem Handel mit und dem Betrieb von Spielgeräten befassen (im Folgenden: Klägerinnen des Ausgangsverfahrens) und dem portugiesischen Staat. Sie betreffen die portugiesischen Rechtsvorschriften über den Betrieb und die Ausübung von Glücks- oder Geldspielen, die aus dem Decreto-Lei Nr. 422/89 vom 2. Dezember 1989 (Diário da República I, Nr. 2777 vom 2. Dezember 1989) in der Fassung des Decreto-Lei Nr. 10/95 vom 19. Januar 1995 (Diário da República I, Serie A, Nr. 16, vom 19. Januar 1995; im Folgenden: Decreto-Lei Nr. 422/89) und die Übereinstimmung dieser Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht.

Die gemeinschaftsrechtliche Regelung

3.

Artikel 2 EG sieht vor:

Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der … gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens … zu fördern.

4.

Nach den Artikeln 28 EG und 29 EG sind mengenmäßige Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten.

5.

Artikel 31 EG bestimmt:

(1)

Die Mitgliedstaaten formen ihre staatlichen Handelsmonopole derart um, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist.

Dieser Artikel gilt für alle Einrichtungen, durch die ein Mitgliedstaat unmittelbar oder mittelbar die Einfuhr oder die Ausfuhr zwischen den Mitgliedstaaten rechtlich oder tatsächlich kontrolliert, lenkt oder merklich beeinflusst. Er gilt auch für die von einem Staat auf andere Rechtsträger übertrag...

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