Entscheidungsstichwort (Thema)
Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Art. 6 Nr. 1. Besondere Zuständigkeiten. Mehrere Beklagte. Rechtsgrundlagen der Klagen. Missbrauch. Erfolgsaussicht der Klage, die bei den Gerichten des Wohnsitzstaats eines der Beklagten erhoben wird
Beteiligte
Tenor
1. Art. 6 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass es seiner Anwendung nicht entgegensteht, dass gegen mehrere Beklagte erhobene Klagen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen.
2. Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 findet Anwendung, wenn die Klagen gegen die verschiedenen Beklagten bei ihrer Erhebung im Zusammenhang stehen, d. h., wenn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten, ohne dass überdies gesondert festgestellt werden müsste, dass die Klagen nicht nur erhoben worden sind, um einen der Beklagten den Gerichten seines Wohnsitzstaats zu entziehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach den Art. 68 EG und 234 EG, eingereicht vom Högsta domstol (Schweden) mit Entscheidung vom 8. Februar 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Februar 2006, in dem Verfahren
Freeport plc
gegen
Olle Arnoldsson
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter U. Lõhmus und J. Klučka (Berichterstatter), der Richterin P. Lindh sowie des Richters A. Arabadjiev,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Grass,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Freeport plc, vertreten durch M. Tagaeus und C. Björndal, advokater,
- von Herrn Arnoldsson, vertreten durch A. Bengtsson, advokat,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Parpala, V. Bottka und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Mai 2007
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Verordnung Nr. 44/2001 oder Verordnung).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Freeport plc, einer Gesellschaft britischen Rechts (im Folgenden: Freeport), und Herrn Arnoldsson, der Freeport vor einem anderen Gericht als dem für ihren Sitz örtlich zuständigen verklagte.
Rechtlicher Rahmen
3 In den Erwägungsgründen 2, 11, 12 und 15 der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:
„(2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.
…
(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.
…
(15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen …”
4 Art. 2 Abs. 1 der Verordnung in ihrem Kapitel II Abschnitt 1 „Allgemeine Vorschriften”) lautet:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”
5 Im selben Abschnitt der Verordnung sieht ihr Art. 3 vor:
„(1) Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.
(2) Gegen diese Personen können insbesondere nicht die in Anhang I aufgeführten innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften geltend gemacht werden.”
6 Nach Art. 5 der Verordnung in ihrem Kapitel II Abschnitt 2 „Besonder...