Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinien 75/442/EWG und 91/156/EWG. Begriff ‚Abfälle’. Wieder verwendbare Produktions- oder Verbrauchsrückstände. Eisenschrott
Beteiligte
Tenor
1. Die Definition von Abfall in Artikel 1 Buchstabe a Absatz 1 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 und die Entscheidung 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 geänderten Fassung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass sie abschließend Stoffe oder Materialien betrifft, die den in den Anhängen II A und II B dieser Richtlinie oder in diesen entsprechenden Verzeichnissen aufgeführten Beseitigungs- oder Verwertungsverfahren zugeführt oder unterworfen werden oder deren Besitzer den Willen oder die Verpflichtung dazu hat.
2. Der Begriff „Abfall” im Sinne des Artikels 1 Buchstabe a Absatz 1 der Richtlinie 75/442 in der durch die Richtlinie 91/156 und die Entscheidung 96/350 geänderten Fassung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass davon alle Produktions- oder Verbrauchsrückstände ausgeschlossen sind, die entweder ohne vorherige Behandlung und ohne Schädigung der Umwelt oder aber nach einer vorherigen Behandlung, ohne dass jedoch eine Verwertung im Sinne des Anhangs II B der Richtlinie 75/442 erforderlich wäre, in einem Produktions- oder Verbrauchszyklus wieder verwendet werden können oder wieder verwendet werden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Tribunale Terni (Italien) mit Entscheidung vom 20. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Dezember 2002, in dem Strafverfahren gegen
Antonio Niselli
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter C. Gulmann und J.-P. Puissochet (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Herrn Niselli, vertreten durch L. Mattrella und E. Morigi, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Kostantidinis und R. Amorosi als Bevollmächtigte im Beistand von G. Bambara, avvocato,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. Juni 2004,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 94, S. 47) in der durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 (ABl. L 78, S. 32) und die Entscheidung 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 (ABl. L 135, S. 32) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 75/442).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Niselli, in dem diesem zur Last gelegt wird, eine Tätigkeit der Abfallbewirtschaftung ohne vorherige Genehmigung der zuständigen Behörde ausgeübt zu haben.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Die Richtlinie 75/442 bezweckt eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften über die Abfallbewirtschaftung.
4
Artikel 1 Buchstabe a Absatz 1 dieser Richtlinie definiert Abfall als „alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss”.
5
Anhang I der Richtlinie 75/442 mit der Überschrift „Abfallgruppen” nennt u. a. in Position Q 1 „Nachstehend nicht näher beschriebene Produktions- oder Verbrauchsrückstände”, in Position Q 14 „Produkte, die vom Besitzer nicht oder nicht mehr verwendet werden (z. B. in der Landwirtschaft, den Haushaltungen, Büros, Verkaufsstellen, Werkstätten usw.)” und in Position Q 16 „Stoffe oder Produkte aller Art, die nicht einer der oben erwähnten Gruppen angehören”.
6
Artikel 1 Buchstabe a Absatz 2 der Richtlinie 75/442 hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit der Aufgabe betraut, „ein Verzeichnis der unter die Abfallgruppen in Anhang I fallenden Abfälle” (im Folgenden: Abfallverzeichnis) zu erstellen. Dieses ist Gegenstand der Entscheidung 2000/532/EG der Kommission vom 3. Mai 2000 zur Ersetzung der Entscheidung 94/3/EG über ein Abfallverzeichnis gemäß Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 75/442 und der Entscheidung 94/904/EG des Rates über ein Verzeichnis gefährlicher Abfälle im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 91/689/EWG des Rates über gefährliche Abfälle (ABl. L 226, S. 3). Dieses Verzeichnis wurde mehrfach geändert, u. a. zuletzt durch die Entscheidung 2001/573/EG des Rates vom 23. Juli 2001 (ABl. L 203, S. 18). Das Abfallverzeichnis ist am 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Unter seinem Kapitel 17 sind „Bau- und Abbruchabfälle (einschließlich Aushub von verunreinigten...