Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Mehrwertsteuer -Verminderung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage. Vollständige oder teilweise Nichtbezahlung des Preises wegen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Von einer nationalen Regelung für die Mehrwertsteuerberichtigung vorgeschriebene Bedingungen. Bedingung, wonach die teilweise oder vollständig unbeglichene Forderung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Monaten vor der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnergesellschaft entstanden sein darf. Nichtübereinstimmung
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 90
Beteiligte
Odvolací finanční ředitelství |
Verfahrensgang
Krajský soud v Brně (Tschechien) (Beschluss vom 29.07.2020; ABl. EU 2020, Nr. C 359/8) |
Tenor
Art. 90 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung entgegensteht, die die Berichtigung des Mehrwertsteuerbetrags von der Bedingung abhängig macht, dass die teilweise oder vollständig unbeglichene Forderung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Monaten vor der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnergesellschaft entstanden ist, obwohl sich mit dieser Bedingung nicht ausschließen lässt, dass diese Forderung letztlich endgültig uneinbringlich werden kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Krajský soud v Brně (Regionalgericht Brünn, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 29. Juli 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 20. August 2020, in dem Verfahren
ELVOSPOL s.r.o.
gegen
Odvolací finanční ředitelství
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter J-C. Bonichot (Berichterstatter) und M. Safjan,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der ELVOSPOL s.r.o., vertreten durch T. Klíma,
- des Odvolací finanční ředitelství, vertreten durch T. Rozehnal, der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, O. Serdula und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Carlin und M. Salyková als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 90 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ELVOSPOL s.r.o. (im Folgenden: ELVOSPOL), einer Gesellschaft tschechischen Rechts, und dem Odvolací finanční ředitelství (Einspruchsfinanzdirektion, Tschechische Republik) wegen dessen Weigerung, ELVOSPOL eine Berichtigung des Mehrwertsteuerbetrags zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.”
Rz. 4
Art. 73 dieser Richtlinie bestimmt:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.”
Rz. 5
Art. 90 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„(1) Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.
(2) Die Mitgliedstaaten können im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung von Absatz 1 abweichen.”
Rz. 6
Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten können vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Formalitäten beim Grenzübertritt führen.
Die Möglichkeit nach Absatz 1 darf nicht dazu genutzt werden, zusätzlich zu den in Kapitel 3 genannten Pflichten weitere Pflichten in Bezug auf die Rechnungsstellung festzulegen.”
Tschechisches Recht
Rz. 7
§ 44 des Zákon č. 235/2004 Sb., o da...