Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen. Erfüllung eines Pauschalreisevertrags. Haftung des betreffenden Reiseveranstalters. Maßnahmen zur Bekämpfung der weltweiten Verbreitung einer Infektionskrankheit. Covid-19-Pandemie. Einschränkungen, die am Reiseziel und am Wohnort des betreffenden Reisenden sowie in anderen Ländern getroffen werden. Vertragswidrigkeit der im Rahmen der betreffenden Pauschalreise erbrachten Leistungen. Angemessene Minderung des Preises dieser Pauschalreise
Normenkette
EURL 2015/2302 Art. 14 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates
ist dahin auszulegen, dass
ein Reisender Anspruch auf eine Minderung des Preises seiner Pauschalreise hat, wenn eine Vertragswidrigkeit der in seiner Pauschalreise zusammengefassten Reiseleistungen durch Einschränkungen bedingt ist, die an seinem Reiseziel zur Bekämpfung der Verbreitung einer Infektionskrankheit angeordnet wurden, und solche Einschränkungen aufgrund der weltweiten Verbreitung dieser Krankheit auch am Wohnort des Reisenden sowie in anderen Ländern angeordnet wurden. Damit diese Preisminderung angemessen ist, muss sie anhand der in der betreffenden Pauschalreise zusammengefassten Leistungen beurteilt werden und dem Wert der Leistungen entsprechen, deren Vertragswidrigkeit festgestellt wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht München I (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. Mai 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juni 2021, in dem Verfahren
KT,
NS
gegen
FTI Touristik GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), der Richterin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer,
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2022,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der tschechischen Regierung, vertreten durch S. Šindelková, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch A. Daniel und A. Ferrand als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann, I. Rubene und C. Valero als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. September 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates (ABl. 2015, L 326, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen zwei Reisenden, KT und NS (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens), auf der einen und einem Reiseveranstalter, der FTI Touristik GmbH, auf der anderen Seite über eine Minderung des Preises einer Pauschalreise, die infolge von am Reiseziel dieser beiden Reisenden zur Bekämpfung der Verbreitung der Covid-19-Pandemie angeordneten Einschränkungen und der vorzeitigen Rückkehr der Reisenden an ihren Ausgangsort beansprucht wird.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 31 und 34 der Richtlinie 2015/2302 lauten:
„(31) Reisende sollten jederzeit vor Beginn der Pauschalreise gegen Zahlung einer angemessenen und vertretbaren Rücktrittsgebühr – unter Berücksichtigung der erwarteten ersparten Aufwendungen sowie der Einnahmen aus einer anderweitigen Verwendung der Reiseleistungen – von dem Pauschalreisevertrag zurücktreten können. Zudem sollten sie ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr vom Pauschalreisevertrag zurücktreten können, wenn die Durchführung der Reise durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände erheblich beeinträchtigt wird. Dies kann zum Beispiel Kriegshandlungen, andere schwerwiegende Beeinträchtigungen der Sicherheit wie Terrorismus, erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit wie einen Ausbruch einer schweren Krankheit am Reiseziel oder Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Erdbeben oder Witterungsverhältnisse, die eine sichere Reise an das im Pauschalreisevertrag vereinbarte Reiseziel unmöglich machen, umfassen.
…
(34) Es sollten besondere Bestimmungen für Abhilfen im Falle einer Vertragswidrigkeit bei Erfüllung des Pauschalreisevertrags festgelegt werden. Der Reisende sollte im Falle von Problemen Abhilfe verlangen k...