Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsausgabenabzug, Verluste einer ausländischen Zweigniederlassung, Anrechnung von Verlusten gebietsfremder Zweigniederlassungen, Einkünfteermittlung
Leitsatz (amtlich)
Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es einer gebietsansässigen Gesellschaft, die nicht eine Regelung der internationalen gemeinsamen Besteuerung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gewählt hat, auch dann verwehrt, von ihrem steuerpflichtigen Gewinn Verluste einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte abzuziehen, obgleich sie zum einen alle Möglichkeiten zum Abzug dieser Verluste ausgeschöpft hat, die ihr das Recht des Mitgliedstaats bietet, in dem diese Betriebsstätte belegen ist, und zum anderen über diese Betriebsstätte keine Einnahmen mehr erzielt, so dass keine Möglichkeit mehr besteht, dass die Verluste in diesem Mitgliedstaat berücksichtigt werden, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Normenkette
AEUV Art. 49
Beteiligte
A/S Bevola, Jens W. Trock ApS |
Verfahrensgang
Ostre Landsret (Dänemark) (Beschluss vom 12.12.2016; Abl.EU 2017, Nr. C 63/18) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Art. 49 AEUV ‐ Körperschaftsteuer ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Gebietsansässige Gesellschaft ‐ Steuerpflichtiger Gewinn ‐ Steuerliche Entlastung ‐ Abzug der Verluste gebietsansässiger Betriebsstätten ‐ Bewilligung ‐ Abzug der Verluste gebietsfremder Betriebsstätten ‐ Ausschluss ‐ Ausnahme ‐ Fakultative Regelung der internationalen gemeinsamen Besteuerung“
In der Rechtssache C-650/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Landgericht der Region Ost, Dänemark) mit Entscheidung vom 12. Dezember 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Dezember 2016, in dem Verfahren
A/SBevola,
Jens W. Trock ApS
gegen
Skatteministeriet
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, A. Rosas und J. Malenovský, der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter), M. Safjan und D. Sváby, der Richterin A. Prechal und der Richter C. Lycourgos, M. Vilaras und E. Regan,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der A/S Bevola und der Jens W. Trock ApS, vertreten durch H. Peytz, advokat,
‐ des Skatteministerium, vertreten durch S. Morsbøe Jensen, advokat,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning als Bevollmächtigter im Beistand von S. Horsbøl Jensen, advokat,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Socio, avvocato dello Stato,
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch F. Koppensteiner, G. Eberhard und E. Lachmayer als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels, R. Lyal und S. Maaløe als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Januar 2018
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den nach dänischem Recht gegründeten Gesellschaften A/S Bevola und Jens W. Trock ApS einerseits und dem Skatteministerium (Finanzministerium, Dänemark) andererseits über die Weigerung der dänischen Behörden, Bevola zu gestatten, die Verluste ihrer finnischen Zweigniederlassung von ihrem steuerpflichtigen Einkommen abzuziehen.
Dänisches Recht
Rz. 3
§ 8 Abs. 2 des Selskabsskattelov (Körperschaftsteuergesetz) in der durch das Gesetz Nr. 426 vom 6. Juni 2005 geänderten Fassung (im Folgenden: Körperschaftsteuergesetz) bestimmt:
„Vorbehaltlich des § 31 A umfasst das steuerpflichtige Einkommen nicht Einnahmen und Ausgaben von in einem anderen Staat, auf den Färöern oder in Grönland belegenen Betriebsstätten oder Liegenschaften. …“
Rz. 4
§ 31 dieses Gesetzes sieht vor:
„(1) Verbundene Gesellschaften und Verbände usw. … werden gemeinsam besteuert (nationale gemeinsame Besteuerung). Als ,verbundene Gesellschaften und Verbände usw.‘ gelten Gesellschaften und Verbände usw., die zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf eines Steuerjahrs zu derselben Unternehmensgruppe gehören (siehe § 31 C). In den Abs. 2 bis 7 werden Liegenschaften den Betriebsstätten gleichgestellt. Als ,oberste Muttergesellschaft‘ gilt die Gesellschaft, die Muttergesellschaft ist, ohne Tochtergesellschaft zu sein (siehe § 31 C).
(2) Für gemeinsam besteuerte Gesellschaften ist eine gemeinsame Einkommensteuererklärung bestehend aus der Summe der zu versteuernden Einkommen der der gemeinsamen Besteuerung unterliegenden Gesellschaften zu erstellen, die in Übereinstimmung mit den allgemeinen steuerrechtlichen Bestimmungen, einschließlich de...