Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerb. Art. 102 AEUV. Unternehmensbegriff. Daten eines Gesellschaftsregisters, die in einer Datenbank gespeichert sind. Erfassung und Bereitstellung dieser Daten gegen Entgelt. Auswirkungen der Ablehnung der Hoheitsträger, die Weiterverwendung dieser Daten zu gestatten. ‚Schutzrecht sui generis’ nach Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG
Beteiligte
Tenor
Ein Hoheitsträger wird, wenn er die von Unternehmen aufgrund von gesetzlichen Meldepflichten gemeldeten Daten in einer Datenbank speichert und interessierten Personen Einsicht gewährt und/oder Ausdrucke herstellen lässt, nicht wirtschaftlich tätig und ist infolgedessen im Rahmen dieser Tätigkeit nicht als Unternehmen im Sinne von Art. 102 AEUV anzusehen. Dass diese Gewährung von Einsicht und/oder Herstellung von Ausdrucken gegen ein gesetzlich vorgesehenes und nicht unmittelbar oder mittelbar von der betreffenden Einheit bestimmtes Entgelt erfolgt, kann an der rechtlichen Einstufung dieser Tätigkeit nichts ändern. Auch soweit ein solcher Hoheitsträger unter Berufung auf das Schutzrecht sui generis, das ihm als Hersteller der betreffenden Datenbank nach Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken gewährt wird, oder auf ein anderes Recht des geistigen Eigentums darüber hinausgehende Handlungen zur Verwertung der in dieser Weise erfassten und offengelegten Daten untersagt, übt er keine wirtschaftliche Tätigkeit aus und ist daher im Rahmen dieser Tätigkeit nicht als Unternehmen im Sinne von Art. 102 AEUV anzusehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. Februar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 21. März 2011, in dem Verfahren
Compass-Datenbank GmbH
gegen
Republik Österreich
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und D. Šváby,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Compass-Datenbank GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt F. Galla,
- der Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer und G. Kunnert als Bevollmächtigte,
- des Bundeskartellanwalts, vertreten durch A. Mair als Bevollmächtigten,
- von Irland, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von P. Dillon Malone, BL,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und J. Langer als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar und B. Majczyna als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer, R. Sauer und P. Van Nuffel als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. April 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 102 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Compass-Datenbank GmbH (im Folgenden: Compass-Datenbank) und der Republik Österreich über die Bereitstellung von Firmenbuchdaten, die in einer Datenbank gespeichert sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 der Ersten Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8), in ihrer durch die Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 (ABl. L 221, S. 13) geänderten Fassung zählt die Urkunden und Angaben auf, auf die sich die Verpflichtung der Gesellschaften zur Offenlegung erstrecken muss.
Rz. 4
Art. 3 der Richtlinie 68/151 in ihrer durch die Richtlinie 2003/58 geänderten Fassung bestimmt:
„(1) In jedem Mitgliedstaat wird entweder bei einem zentralen Register oder bei einem Handels- oder Gesellschaftsregister für jede der dort eingetragenen Gesellschaften eine Akte angelegt.
(2) Alle Urkunden und Angaben, die nach Artikel 2 der Offenlegung unterliegen, sind in dieser Akte zu hinterlegen oder in das Register einzutragen; der Gegenstand der Eintragungen in das Register muss in jedem Fall aus der Akte ersichtlich sein.
…
(3) Eine vollständige oder auszugsweise Kopie der in Artikel 2 bezeichneten Urkunden oder Angaben muss auf Antrag erhältlich sein. Spätestens ab dem 1. Januar 2007 können die Anträge bei dem Register wahlweise auf Papier oder in elektronischer Form gestellt werden.
…
Die Gebühren für die Ausstellung einer vollständigen oder auszugsweisen Kop...