Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaft. Richtlinien 98/95/EG, 2002/53/EG, 2002/55/EG und 2009/145/EG. Gültigkeit. Gemüse. Verkauf von Gemüsesaatgut, das im amtlichen gemeinsamen Sortenkatalog für Gemüsearten nicht aufgeführt ist, auf dem nationalen Saatgutmarkt. Nichtbeachtung der Regelung der vorherigen Zulassung für das Inverkehrbringen. Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Unternehmerische Freiheit. Freier Warenverkehr. Gleichbehandlung
Beteiligte
Tenor
Die Prüfung der vorgelegten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinien 2002/55/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Gemüsesaatgut und 2009/145/EG der Kommission vom 26. November 2009 mit Ausnahmeregelungen für die Zulassung von Gemüselandsorten und anderen Sorten, die traditionell an besonderen Orten und in besonderen Regionen angebaut werden und von genetischer Erosion bedroht sind, sowie von Gemüsesorten, die an sich ohne Wert für den Anbau zu kommerziellen Zwecken sind, aber für den Anbau unter besonderen Bedingungen gezüchtet werden, sowie für das Inverkehrbringen von Saatgut dieser Landsorten und anderen Sorten beeinträchtigen könnte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d'appel de Nancy (Frankreich) mit Entscheidung vom 4. Februar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Februar 2011, in dem Verfahren
Association Kokopelli
gegen
Graines Baumaux SAS
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis (Berichterstatter) und D. Šváby,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Association Kokopelli, vertreten durch B. Magarinos Rey, avocat,
- der Graines Baumaux SAS, vertreten durch P. de Jong, C. Ronse und S. Lens, avocats,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, B. Cabouat und R. Loosli-Surrans als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch P. Mahnič Bruni und É. Sitbon Bercain als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Bianchi und Z. Malůšková als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. Januar 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Richtlinien
- 98/95/EG des Rates vom 14. Dezember 1998 zur Änderung der Richtlinien 66/400/EWG, 66/401/EWG, 66/402/EWG, 66/403/EWG, 69/208/EWG, 70/457/EWG und 70/458/EWG über den Verkehr mit Betarübensaatgut, Futterpflanzensaatgut, Getreidesaatgut, Pflanzkartoffeln, Saatgut von Öl- und Faserpflanzen, Gemüsesaatgut und über den gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzen, und zwar hinsichtlich der Konsolidierung des Binnenmarkts, genetisch veränderter Sorten und pflanzengenetischer Ressourcen (ABl. 1999, L 25, S. 1),
- 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten (ABl. L 193, S. 1),
- 2002/55/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Gemüsesaatgut (ABl. L 193, S. 33) und
- 2009/145/EG der Kommission vom 26. November 2009 mit Ausnahmeregelungen für die Zulassung von Gemüselandsorten und anderen Sorten, die traditionell an besonderen Orten und in besonderen Regionen angebaut werden und von genetischer Erosion bedroht sind, sowie von Gemüsesorten, die an sich ohne Wert für den Anbau zu kommerziellen Zwecken sind, aber für den Anbau unter besonderen Bedingungen gezüchtet werden, sowie für das Inverkehrbringen von Saatgut dieser Landsorten und anderen Sorten (ABl. L 312, S. 44).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Association Kokopelli (im Folgenden: Kokopelli) und der Graines Baumaux SAS (im Folgenden: Baumaux) über den Vertrieb von Gemüsesaatgut.
Rechtlicher Rahmen
Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft
Rz. 3
Der Rat hat mit dem Beschluss 2004/869/EG vom 24. Februar 2004 den Abschluss des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (im Folgenden: Internationaler Vertrag) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt (ABl. L 378, S. 1).
Rz. 4
Nach Art. 1 des Internationalen Vertrags hat dieser „im Einklang mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt die Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft sowie die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zur Erreichung einer nachhaltigen Landwirtschaft und Ernährungssicherheit” zum Ziel.
Rz. 5
Art. 5 des Internationalen Vertrags sieht vor:
„5.1. Nach Maßgabe der inn...