Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Erstattung des Preises eines Flugscheins bei Annullierung eines Fluges. Provision, die beim Kauf des Flugscheins von einem Vermittler zwischen dem Fluggast und dem Luftfahrtunternehmen erhoben wird. Einbeziehung
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 8 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 und insbesondere ihr Art. 8 Abs. 1 Buchst. a ist dahin auszulegen, dass der Preis des Flugscheins, der zur Ermittlung des einem Fluggast vom Luftfahrtunternehmen im Fall der Annullierung eines Fluges geschuldeten Erstattungsbetrags heranzuziehen ist, die Differenz zwischen dem vom Fluggast gezahlten und dem vom Luftfahrtunternehmen erhaltenen Betrag in Höhe der Provision eines als Vermittler zwischen ihnen tätig gewordenen Unternehmens einschließt, es sei denn, die Provision wurde ohne Wissen des Luftfahrtunternehmens festgelegt; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Oktober 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Oktober 2017, in dem Verfahren
Dirk Harms,
Ann-Kathrin Harms,
Nick-Julius Harms,
Tom-Lukas Harms,
Lilly-Karlotta Harms,
Emma-Matilda Harms
gegen
Vueling Airlines SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Malenovský (Berichterstatter) sowie der Richter D. Šváby und M. Vilaras,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Vueling Airlines SA, vertreten durch B. Liebert, Rechtsanwältin,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und N. Yerrell als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn und Frau Harms sowie ihren vier Kindern auf der einen und der Vueling Airlines SA auf der anderen Seite wegen der Erstattung des Preises von Flugscheinen, die über die Opodo Ltd gekauft wurden.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
In Art. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 261/2004 wird der Begriff „Flugschein” definiert als „ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elektronisch ausgestellte Berechtigung, das bzw. die von dem Luftfahrtunternehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde”.
Rz. 4
Art. 5 („Annullierung”) der Verordnung sieht in Abs. 1 vor:
„Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
…”
Rz. 5
Art. 8 („Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung”) der Verordnung bestimmt in Abs. 1:
„Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a)
- der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde …
- einem Rückflug zum ersten Abflugort …
…”
Rz. 6
Art. 10 („Höherstufung und Herabstufung”) der Verordnung sieht in Abs. 2 vor:
„Verlegt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einen Fluggast in eine niedrigere Klasse als die, für die der Flugschein erworben wurde, so erstattet es binnen sieben Tagen nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten
- bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger 30 % des Preises des Flugscheins oder
- bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km … und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km 50 % des Preises des Flugscheins oder
- bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen … 75 % des Preises des Flugscheins.”
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Rz. 7
Herr Harms erwarb für seine Frau, sich selbst und ihre vier Kinder über die Website opodo.de Flugscheine für ei...