Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Begriff der Widerklage. Auf eine bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützte Klage. Zahlung eines aufgrund einer aufgehobenen Entscheidung geschuldeten Betrags. Zeitliche Anwendung
Normenkette
EGVO Nr. 44/2001 Art. 6 Nr. 3
Beteiligte
Tenor
Art. 6 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass der in dieser Vorschrift für die Widerklage festgelegte Gerichtsstand für eine auf eine bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützte Widerklage auf Rückerstattung eines Betrags gilt, der dem im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs vereinbarten Betrag entspricht, wenn diese Klage anlässlich eines neuerlichen Gerichtsverfahrens zwischen denselben Parteien infolge der Aufhebung der Entscheidung, zu der die ursprüngliche Klage zwischen diesen Parteien geführt hatte und deren Durchführung Anlass zu diesem außergerichtlichen Vergleich gegeben hatte, erhoben wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vrhovno sodišče (Oberster Gerichtshof, Slowenien) mit Entscheidung vom 15. Januar 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 22. April 2015, in dem Verfahren
Marjan Kostanjevec
gegen
F&S Leasing GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan (Berichterstatter) und D. Šváby,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der F&S Leasing GmbH, vertreten durch M. Rihtar und B. Potočan, odvetnika,
- der slowenischen Regierung, vertreten durch T. Mihelič Žitko als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und M. Žebre als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 2. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 5 Nr. 1, 6 Nr. 3 und 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Marjan Kostanjevec mit Wohnsitz in Slowenien und der F & S Leasing GmbH (im Folgenden: F & S) mit Gesellschaftssitz in Österreich über die Nichterfüllung eines Finanzierungsleasingvertrags.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 zufolge bezweckt die Verordnung, im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts „Bestimmungen [einzuführen], um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen”.
Rz. 4
In den Erwägungsgründen 11 bis 13 und 15 dieser Verordnung heißt es:
„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.
(13) Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.
…
(15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. …”
Rz. 5
Die Zuständigkeitsregeln nach dieser Verordnung befinden sich unter ihrem Kapitel II. Dieses Kapitel umfasst u. a. die Abschnitte 1, 2 und 4 mit den jeweiligen Überschriften „Allgemeine Vorschriften”, „Besondere Zuständigkeiten” und „Zuständigkeit bei Verbrauchersachen”.
Rz. 6
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, der zu Abschnitt 1 dieses Kapitels gehört, lautet wie folgt:
„Vorbehaltlich der Vorschriften di...