Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zuständigkeit für Verbrauchersachen. Begriff ‚Verbraucher’. Pokerspiel-Vertrag, der online zwischen einer natürlichen Person und einem Glücksspiel-Veranstalter geschlossen wurde. Natürliche Person, die ihren Lebensunterhalt mit Online-Pokerspielen verdient. Kenntnisse dieser Person. Regelmäßigkeit der Tätigkeit

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 15 Abs. 1

 

Beteiligte

Personal Exchange International

A. B

B. B

Personal Exchange International Limited

 

Tenor

Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, die zum einen mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft einen Vertrag zu den von dieser Gesellschaft festgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossen hat, um online Poker zu spielen, und zum anderen eine solche Tätigkeit weder amtlich angemeldet noch Dritten als kostenpflichtige Dienstleistung angeboten hat, nicht ihre Eigenschaft als „Verbraucher” im Sinne dieser Bestimmung verliert, selbst wenn sie täglich viele Stunden an diesem Spiel teilnimmt und dabei erhebliche Gewinne erzielt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vrhovno sodišče (Oberster Gerichtshof, Slowenien) mit Entscheidung vom 5. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Oktober 2019, in dem Verfahren

A. B.,

B. B.

gegen

Personal Exchange International Limited

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter) und N. Jääskinen,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von A. B. und B. B., vertreten durch R. Kokalj, odvetnik,
  • der slowenischen Regierung, vertreten durch J. Morela als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und B. Rous Demiri als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A. B. und B. B., zwei natürlichen Personen mit Wohnsitz in Slowenien, einerseits und Personal Exchange International Limited (im Folgenden: PEI), einer Handelsgesellschaft mit Sitz in Malta, andererseits wegen eines Betrags, den PEI im Rahmen eines online abgeschlossenen Pokerspiel-Vertrags einbehalten haben soll.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Die Verordnung Nr. 44/2001 wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) aufgehoben. Allerdings ist diese zweite Verordnung gemäß ihrem Art. 81 mit Ausnahme einiger ihrer Bestimmungen erst ab dem 10. Januar 2015 anwendbar. Folglich gilt im Hinblick auf den für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt für dieses weiterhin die Verordnung Nr. 44/2001.

Rz. 4

In den Erwägungsgründen 11 bis 13 der Verordnung Nr. 44/2001 hieß es:

„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.

(13) Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.”

Rz. 5

Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung, der Teil von deren Kapitel II Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften”) ist, lautete:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gericht...

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