Entscheidungsstichwort (Thema)
Telekommunikationssektor. Elektronische Kommunikation. Richtlinie 2002/19/EG. Art. 4 Abs. 1. Netze und Dienste. Zusammenschaltungsvereinbarungen zwischen Telekommunikationsunternehmen. Verpflichtung, nach Treu und Glauben zu verhandeln. Begriff ‚Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze’. Art. 5 und 8. Kompetenzen nationaler Regulierungsbehörden. Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht
Beteiligte
Tenor
1. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) in Verbindung mit den Erwägungsgründen 5, 6 und 8 sowie den Art. 5 und 8 dieser Richtlinie steht einer nationalen Regelung wie dem Gesetz über den Telekommunikationsmarkt (Viestintämarkkinalaki) vom 23. Mai 2003 entgegen, die die Möglichkeit, sich hinsichtlich einer Zusammenschaltung auf die Verhandlungsverpflichtung zu berufen, nicht auf Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze beschränkt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu bestimmen, ob die im Ausgangsverfahren betroffenen Betreiber angesichts ihrer Stellung und ihres Wesens als Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze eingestuft werden können.
2. Eine nationale Regulierungsbehörde kann es als einen Verstoß gegen die Verpflichtung, über eine Zusammenschaltung zu verhandeln, ansehen, wenn ein Unternehmen, das über keine beträchtliche Marktmacht verfügt, einem anderen Unternehmen die Zusammenschaltung zu einseitigen Bedingungen anbietet, die geeignet sind, die Entwicklung eines wettbewerbsorientierten Marktes auf Endverbraucherebene zu behindern, weil diese Bedingungen die Kunden dieses anderen Unternehmens daran hindern, dessen Dienste zu nutzen.
3. Eine nationale Regulierungsbehörde kann ein Unternehmen, das keine beträchtliche Marktmacht hat, aber den Zugang zu den Endnutzern kontrolliert, verpflichten, mit einem anderen Unternehmen nach Treu und Glauben entweder über eine Zusammenschaltung der beiden betroffenen Netze zu verhandeln, sofern das Unternehmen, das einen solchen Zugang beantragt, als Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze einzustufen ist, oder über eine Interoperabilität der Kurzmitteilungs- und Multimediamitteilungsdienste, sofern der Antragsteller nicht als Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze einzustufen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 8. Mai 2008, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren
TeliaSonera Finland Oyj,
Beteiligte:
iMEZ Ab,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer J.-C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer sowie der Richter C. W. A. Timmermans, K. Schiemann, P. Kūris (Berichterstatter) und L. Bay Larsen,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. April 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der TeliaSonera Finland Oyj, vertreten durch K. Mattila, oikeustieteen kandidaatti,
- der iMEZ Ab, vertreten durch S. Aalto, asianajaja,
- der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. Bruni als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der litauischen Regierung, vertreten durch I. Jarukaitis als Bevollmächtigten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Mol als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
- der rumänischen Regierung, vertreten durch A. Ciobanu-Dordea als Bevollmächtigten im Beistand von E. Gane und L. Nicolae, consilieri,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch I. Koskinen und A. Nijenhuis als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Mai 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1, Art. 5 und Art. 8 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) (ABl. L 108, S. 7).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens, in dem die TeliaSonera Finland Oyj (im Folgenden: TeliaSonera), Rechtsnachfolgerin der Sonera Mobile Networks Oy, als Beschwerdeführerin der Viestintävirasto (finnische Regulierungsbehörde für Telekommunikation, im Folgenden: Ficora) und der iMEZ Ab (im Folgenden: iMEZ) gegenübersteht und das eine Entscheidung betrifft, die die Ficora am 11. Dezember 2006 gegenüber TeliaSonera erlassen hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgr...