Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Information der Verbraucher über Lebensmittel. Verpflichtende Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts eines Lebensmittels, wenn ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher möglich wäre. Verpflichtung, auf Lebensmitteln aus vom Staat Israel besetzten Gebieten ihr Ursprungsgebiet und, falls sie aus einer israelischen Siedlung in diesem Gebiet kommen, zusätzlich diese Herkunft anzugeben
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1169/2011
Beteiligte
Organisation juive européenne |
Organisation juive européenne |
Ministre de l'Économie et des Finances |
Tenor
Art. 9 Abs. 1 Buchst. i in Verbindung mit Art. 26 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission ist dahin auszulegen, dass auf Lebensmitteln aus einem vom Staat Israel besetzten Gebiet nicht nur dieses Gebiet, sondern, falls diese Lebensmittel aus einer Ortschaft oder einer Gesamtheit von Ortschaften kommen, die innerhalb dieses Gebiets eine israelische Siedlung bildet, auch diese Herkunft angegeben werden muss.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d'État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 30. Mai 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juni 2018, in dem Verfahren
Organisation juive européenne,
Vignoble Psagot Ltd
gegen
Ministre de l'Économie et des Finances
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, M. Vilaras, E. Regan und P. G. Xuereb, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter E. Juhász, M. Ilešič, J. Malenovský (Berichterstatter), D. Šváby, C. Lycourgos und N. Piçarra,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. April 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Organisation juive européenne, vertreten durch J. Buk Lament, avocate,
- der Vignoble Psagot Ltd, vertreten durch F.-H. Briard, Y.-A. Benizri und E. Weiss, avocats,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, B. Fodda, S. Horrenberger, L. Legrand, A.-L. Desjonquères, C. Mosser und E. de Moustier als Bevollmächtigte,
- Irlands, vertreten durch M. Browne, G. Hodge und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von S. Kingston, BL,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und P. Huurnink als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz und H. Shev als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouquet, B. De Meester, F. Clotuche-Duvieusart und K. Herbout-Borczak als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juni 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. 2011, L 304, S. 18, und Berichtigung ABl. 2015, L 50, S. 48).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen der Organisation juive européenne und der Vignoble Psagot Ltd auf der einen Seite und dem Ministre de l'Économie et des Finances (Minister für Wirtschaft und Finanzen) auf der anderen Seite über die Rechtmäßigkeit eines Erlasses über die Angabe der Herkunft von Waren aus den vom Staat Israel seit 1967 besetzten Gebieten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Lebensmittelrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 3, 4 und 29 der Verordnung Nr. 1169/2011 heißt es:
„(3) Um auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes der Verbraucher ein hohes Niveau zu erreichen und das Recht der Verbraucher auf Information zu gewährleisten, sollte sichergestellt werden, dass die Verbraucher in Bezug auf die Lebensmittel, die sie verzehren, in geeigneter Weise informiert werden. Die Wahl der Verbraucher kann unter anderem durch gesund...