Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge. Befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor. Lehrkräfte im Fach Katholische Religion. Begriff ‚sachliche Gründe’, die die Verlängerung solcher Verträge rechtfertigen. Ständiger Bedarf an Vertretungskräften
Normenkette
Richtlinie 1999/70/EG
Beteiligte
MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania |
Ministero dell'Istruzione, dell'Università e della Ricerca – MIUR |
Ufficio Scolastico Regionale per la Campania |
Tenor
Paragraf 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass er zum einen einer nationalen Regelung, nach der die Vorschriften, mit denen der missbräuchliche Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge geahndet werden soll, auf katholische Religionslehrer an öffentlichen Lehranstalten nicht anwendbar sind, entgegensteht, wenn es in der innerstaatlichen Rechtsordnung keine andere wirksame Maßnahme zur Ahndung dieses missbräuchlichen Rückgriffs gibt, und dass zum anderen die Voraussetzung, nach der diese Lehrer katholischen Religionsunterricht nur erteilen dürfen, wenn sie über einen von einer kirchlichen Stelle ausgestellten Befähigungsnachweis verfügen, keinen „sachlichen Grund” im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung darstellt, sofern dieser Nachweis nur einmal – und nicht vor jedem Schuljahr, für das ein befristeter Arbeitsvertrag geschlossen wird – ausgestellt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Napoli (Gericht Neapel, Italien) mit Entscheidung vom 13. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2019, in dem Verfahren
YT,
ZU,
AW,
BY,
CX,
DZ,
EA,
FB,
GC,
IE,
JF,
KG,
LH,
MI,
NY,
PL,
HD,
OK
gegen
Ministero dell'Istruzione, dell'Università e della Ricerca – MIUR,
Ufficio Scolastico Regionale per la Campania,
Beteiligte:
Federazione GILDA-UNAMS,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer A. Arabadjiev in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterin I. Ziemele sowie der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin (Berichterstatter),
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von YT, ZU, AW, BY, CX, DZ, EA, FB, GC, IE, JF, KG, LH, MI, NY und PL, vertreten durch S. Tramontano, avvocato,
- von HD, vertreten durch F. Sorrentino, avvocata,
- von OK, vertreten durch V. De Michele, avvocato,
- der Federazione GILDA-UNAMS, vertreten durch T. de Grandis, avvocato,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. Fiandaca und P. Gentili, avvocati dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, M. van Beek und C. Valero als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. März 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Paragrafen 4 und 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist, von Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) sowie von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen YT, ZU, AW, BY, CX, DZ, EA, FB, GC, IE, JF, KG, LH, MI, NY, PL, HD und OK (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens), die an öffentlichen Schulen katholische Religion unterrichten, auf der einen Seite und dem Ministero dell'Istruzione, dell'Università e della Ricerca – MIUR (Ministerium für Bildung, Universitäten und Forschung – MIUR, Italien) und dem Ufficio Scolastico Regionale per la Campania (Regionales Schulamt Kampanien, Italien) auf der anderen Seite über den Antrag, die befristeten Arbeitsverträge der Kläger des Ausgangsverfahrens in einen unbefristeten umzuwandeln.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 1999/70
Rz. 3
Der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 lautet:
„Die Unterzeichnerparteien wollten eine Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge schließen, welche die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge und Beschäftigungsverhältnisse niederlegt. Sie haben ihren Willen bekundet, durch ...