Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor. Aufeinanderfolgende Verträge. Verbot der Umwandlung von befristeten Arbeitsverträgen in einen unbefristeten Vertrag. Lehrtätigkeiten in nicht militärischen Fächern an Militärschulen
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Richtlinie 1999/70/EG; EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge Paragraf 5
Beteiligte
Tenor
Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung entgegensteht, die ziviles Personal, das an Militärschulen mit dem Unterricht in nicht militärischen Fächern betraut ist, von der Anwendung der Vorschriften ausschließt, mit denen die missbräuchliche Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Verträge geahndet werden soll, sofern diese Regelung keine andere wirksame Maßnahme enthält, um den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Verträge zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden. Gründe im Zusammenhang mit den organisatorischen Anforderungen dieser Schulen können keine „sachlichen Gründe“ im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung darstellen, die die Verlängerung solcher Verträge mit diesem Personal, das mit dem Unterricht in solchen Fächern betraut ist, rechtfertigen.
Tatbestand
In der Rechtssache C-278/23 [Biltena](
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidung vom 27. April 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2023, in dem Verfahren
M. M.als Rechtsnachfolger von M. R.,
gegen
Ministero della Difesa
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen (Berichterstatter) sowie der Richter N. Wahl und J. Passer,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen M. M. als Rechtsnachfolger von M. R. und dem Ministero della Difesa (Verteidigungsministerium, Italien) (im Folgenden: Ministerium) über die Konsequenzen, die aus dem Abschluss aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zwischen M. R. und diesem Ministerium im Zeitraum von 1987 bis 2007 zu ziehen sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In Abs. 2 der Präambel der Rahmenvereinbarung heißt es:
„Die Unterzeichnerparteien dieser Vereinbarung erkennen an, dass unbefristete Verträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellen und weiter darstellen werden. Sie erkennen auch an, dass befristete Beschäftigungsverträge unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entsprechen.“
Rz. 4
In Abs. 3 der Präambel dieser Rahmenvereinbarung heißt es:
„Die Vereinbarung legt die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge in der Erkenntnis nieder, dass bei ihrer genauen Anwendung die besonderen Gegebenheiten der jeweiligen nationalen, sektoralen und saisonalen Situation berücksichtigt werden müssen. Sie macht den Willen der Sozialpartner deutlich, einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert und die Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge auf einer für Arbeitgeber und Arbeitnehmer akzeptablen Grundlage ermöglicht.“
Rz. 5
Die Nrn. 6, bis 8 und 10 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung lauten:
„6. Unbefristete Arbeitsverträge sind die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses. Sie tragen zur Lebensqualität der betreffenden Arbeitnehmer und zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit bei.
7. Die aus objektiven Gründen erfolgende Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge hilft Missbrauch zu vermeiden.
8. Befristete Arbeitsverträge sind für die Beschäftigung in bestimmten Branchen, Berufen und Tätigkeiten charakteristisch und können den Bedürfnissen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer entsprechen.
…
10. Diese Vereinbarung überlässt es den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern, die Anwendungsmodalitäten ihrer allgemeinen Grundsätze, Mindestvorschriften und Bestimmungen zu definieren, um so der jeweili...