Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenverkehr. Pflicht zur Verwendung eines Fahrtenschreibers. Ausnahme für Fahrzeuge, die in Verbindung mit der Straßenerhaltung eingesetzt werden. Fahrzeug, das Kies vom Verladeort an einen Ort befördert, an dem Straßenerhaltungsarbeiten durchgeführt werden
Normenkette
VO (EG) Nr. 561/2006 § 1
Beteiligte
Politsei- ja Piirivalveamet |
Tenor
Der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. h der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates enthaltene Begriff der „Fahrzeuge, die in Verbindung mit Straßenerhaltung eingesetzt werden” und die demgemäß von der Verwendung eines Fahrtenschreibers befreit werden können, ist dahin auszulegen, dass darunter Fahrzeuge fallen, die Material zum Ort von Straßenerhaltungsarbeiten befördern, wenn diese Beförderung ausschließlich mit der Durchführung dieser Arbeiten zusammenhängt und gegenüber diesen Arbeiten zurücktritt. Es ist Aufgabe des nationalen Richters, unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände des Ausgangsverfahrens zu beurteilen, ob dies der Fall ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tartu ringkonnakohus (Estland) mit Entscheidung vom 4. Mai 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Mai 2012, in dem Verfahren
A. Karuse AS
gegen
Politsei- ja Piirivalveamet
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Borg Barthet, des Richters E. Levits und der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch I. Bakopoulos und O. Souropani als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch U. Persson als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hottiaux als Bevollmächtigte im Beistand von C. Ginter, advokaat,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 Buchst. h der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. L 102, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der A. Karuse AS (im Folgenden: Karuse) und dem Politsei- ja Piirivalveamet (Lõuna Politseiprefektuur) (Polizeipräfektur Süd) über die Entscheidung eines Beamten, für ein Karuse gehörendes Fahrzeug, das nicht über einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Fahrtenschreiber verfügte, eine außerordentliche technische Überprüfung anzuordnen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (ABl. L 370, S. 8) in der durch die Verordnung Nr. 561/2006 geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 3821/85) sieht in Art. 3 Abs. 1 und 2 vor:
„(1) Das Kontrollgerät muss bei Fahrzeugen eingebaut und benutzt werden, die der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und in einem Mitgliedstaat zugelassen sind; ausgenommen sind die in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 genannten Fahrzeuge. …
(2) Die Mitgliedstaaten können die in Artikel 13 Absätze 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 genannten Fahrzeuge von der Anwendung der vorliegenden Verordnung freistellen.”
Rz. 4
Im 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 561/2006 heißt es:
„Mit dieser Verordnung sollen die sozialen Bedingungen für die von ihr erfassten Arbeitnehmer sowie die allgemeine Straßenverkehrssicherheit verbessert werden. …”
Rz. 5
Art. 1 der Verordnung Nr. 561/2006 bestimmt:
„Durch diese Verordnung werden Vorschriften zu den Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten für Kraftfahrer im Straßengüter- und -personenverkehr festgelegt, um die Bedingungen für den Wettbewerb zwischen Landverkehrsträgern, insbesondere im Straßenverkehrsgewerbe, anzugleichen und die Arbeitsbedingungen sowie die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern. Ziel dieser Verordnung ist es ferner, zu einer besseren Kontrolle und Durchsetzung durch die Mitgliedstaaten sowie zu einer besseren Arbeitspraxis innerhalb des Straßenverkehrsgewerbes beizutragen.”
Rz. 6
Die Art. 5 bis 9 dieser Verordnung enthalten die Regeln über das Fahrpersonal, die Lenkzeiten, die Fahrtunterbrechungen und die Ruhezeiten.
Rz. 7
In Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung heißt es:
„Sofern die...