Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Sozialpolitik. EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge. Begriff ‚Beschäftigungsbedingungen’. Kündigungsfrist eines befristeten Arbeitsvertrags. Ungleichbehandlung gegenüber Dauerbeschäftigten
Normenkette
Richtlinie 1999/70/EG
Beteiligte
Samodzielny Publiczny Psychiatryczny Zakład Opieki Zdrowotnej im. dr Stanisława Deresza w Choroszczy |
Tenor
Paragraf 4 Nr. 1 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen – die für die Kündigung von befristeten Arbeitsverträgen mit einer Laufzeit von mehr als sechs Monaten die Möglichkeit vorsieht, eine feste, von der Betriebszugehörigkeitsdauer des betroffenen Arbeitnehmers unabhängige zweiwöchige Kündigungsfrist anzuwenden, während bei unbefristeten Arbeitsverträgen die Dauer der Kündigungsfrist von der Betriebszugehörigkeitsdauer des betroffenen Arbeitnehmers abhängt und zwei Wochen bis drei Monate betragen kann – entgegensteht, sofern sich diese beiden Kategorien von Arbeitnehmern in vergleichbaren Situationen befinden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Rejonowy w Białymstoku (Polen) mit Entscheidung vom 14. Januar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Januar 2013, in dem Verfahren
Małgorzata Nierodzik
gegen
Samodzielny Publiczny Psychiatryczny Zakład Opieki Zdrowotnej im. dr Stanislawa Deresza w Choroszczy
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. G. Fernlund, des Richters A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und der Richterin C. Toader,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung und D. Martin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Paragrafen 1 und 4 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175, S. 43) sowie des Art. 1 dieser Richtlinie.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Nierodzik, Hilfskrankenpflegerin, und ihrem früheren Arbeitgeber, dem Samodzielny Publiczny Psychiatryczny Zakład Opieki Zdrowotnej im. dr Stanisława Deresza w Choroszczy (selbständige öffentliche psychiatrische Dr. Stanisław Deresz-Klinik in Choroszcz) (im Folgenden: Psychiatryczny Zakład Opieki Zdrowotnej) wegen der Kündigung des befristeten Arbeitsvertrags, der zwischen ihnen bestanden hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70, die auf Art. 139 Abs. 2 EG gestützt ist, geht hervor, dass die Unterzeichnerparteien der Rahmenvereinbarung mit deren Abschluss die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung verbessern und einen Rahmen schaffen wollten, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse verhindert.
Rz. 4
Nach Art. 1 der Richtlinie 1999/70 soll mit dieser Richtlinie „die zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen (EGB, UNICE und CEEP) geschlossene Rahmenvereinbarung …, die im Anhang enthalten ist, durchgeführt werden”.
Rz. 5
Der dritte Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung lautet:
„Die Vereinbarung legt die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge in der Erkenntnis nieder, dass bei ihrer genauen Anwendung die besonderen Gegebenheiten der jeweiligen nationalen, sektoralen und saisonalen Situation berücksichtigt werden müssen. Sie macht den Willen der Sozialpartner deutlich, einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert und die Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge auf einer für Arbeitgeber und Arbeitnehmer akzeptablen Grundlage ermöglicht.”
Rz. 6
Gemäß Paragraf 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung soll diese „durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern”.
Rz. 7
Paragraf 2 („Anwendungsbereich”) Nr. 1 der Rahmenvereinbarung lautet:
„Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich...