Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zuständigkeit für Versicherungssachen. Nationale Regelung, die in bestimmten Fällen ein Recht des Geschädigten auf Klage unmittelbar gegen den Versicherer des für den Unfall Verantwortlichen vorsieht. Gerichtsstandsvereinbarung, die zwischen dem Versicherer und dem Schädiger getroffen wurde
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001
Beteiligte
Navigators Management (UK) Limited |
Tenor
Art. 13 Nr. 5 in Verbindung mit Art. 14 Nr. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass ein Geschädigter, der unmittelbar gegen den Versicherer des Schädigers klagen kann, nicht an eine Gerichtsstandsvereinbarung, die zwischen dem Versicherer und dem Schädiger getroffen wurde, gebunden ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Højesteret (Oberstes Gericht, Dänemark) mit Entscheidung vom 20. Juni 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Juli 2016, in dem Verfahren
Assens Havn
gegen
Navigators Management (UK) Limited
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter) und D. Šváby,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Navigators Management (UK) Limited, vertreten durch H. Nissen, advokat,
- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und J. Van Holm als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González und A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und L. Grønfeldt als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Nr. 5 und Art. 14 Nr. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Assens Havn (Hafen von Assens, Dänemark) und der Navigators Management (UK) Limited, einer Versicherungsgesellschaft (im Folgenden: Navigators Management), über den Ersatz des Schadens, der durch einen bei dieser Gesellschaft versicherten Schlepper an den Anlegestellen des Hafens von Assens entstanden ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 44/2001
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 11 und 13 der Verordnung Nr. 44/2001 lauten:
„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …
…
(13) Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.”
Rz. 4
Die Art. 8 bis 14 in Kapitel II Abschnitt 3 („Zuständigkeit für Versicherungssachen”) dieser Verordnung enthalten die Zuständigkeitsvorschriften für Versicherungssachen.
Rz. 5
Art. 8 dieser Verordnung bestimmt:
„Für Klagen in Versicherungssachen bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt.”
Rz. 6
Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:
„Ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden:
- vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat,
- in einem anderen Mitgliedstaat bei Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat …
…”
Rz. 7
In Art. 10 der Verordnung heißt es:
„Bei der Haftpflichtversicherung oder bei der Versicherung von unbeweglichen Sachen kann der Versicherer außerdem vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden. Das Gleiche gilt, wenn sowohl bewegliche als auch unbewegliche Sachen in ein und demselben Versicherungsvertrag versichert und von demselben Schadensfall betroffen sind.”
Rz. 8
Art. 11 Abs. 2 der Verordnung sieht vor:
„Auf eine Klage, die der Geschädigte unmittelbar gegen den Versicherer erhebt, sind die Artikel 8, 9 und 10 anzuwenden, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.”
Rz. 9
Art. 13 der Verordnung bestimmt:
„Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden:
…
2. wenn sie dem Versicherungsnehmer, Versic...