Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Staatliche Beihilfen. Begriff ‚staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen’. Pflicht einer im Energiesektor tätigen, vollständig im Eigentum des Staates befindlichen Kapitalgesellschaft zur Abnahme von Energie, die bei gleichzeitiger Wärmegewinnung erzeugt wurde

 

Beteiligte

ENEA

ENEA S.A

Prezes Urzę du Regulacji Energetyki

 

Tenor

Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die sowohl privaten als auch öffentlichen Unternehmen eine Pflicht zur Abnahme von Strom auferlegt, der bei gleichzeitiger Wärmegewinnung erzeugt wurde, keine staatliche Maßnahme oder Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel darstellt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) mit Entscheidung vom 16. April 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juli 2015, in dem Verfahren

ENEA S.A.

gegen

Prezes Urzę du Regulacji Energetyki

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), der Richterin M. Berger und der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der ENEA S.A., vertreten durch K. Cichocki und T. Młodawski, radcowie prawni,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, M. Rzotkiewicz und K. Rudzińska als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, K. Herrmann und P. Němečková als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. März 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 107 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 3 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ENEA S.A. und dem Prezes Urzę du Regulacji Energetyki (Leiter der polnischen Energieregulierungsbehörde) (im Folgenden: ERB) wegen der Verhängung einer Geldbuße gegen ENEA infolge eines Verstoßes gegen ihre Pflicht zur Abnahme von elektrischer Energie, die bei gleichzeitiger Wärmegewinnung erzeugt wurde (im Folgenden: Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung), von in Polen gelegenen, an das Stromnetz angeschlossenen Energiequellen.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 9a Abs. 8 des Ustawa Prawo Energetyczne (Energiegesetz) vom 10. April 1997 (Dz. U. Nr. 135, Position 1144) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Energiegesetz) sieht vor:

„Elektrizitätsunternehmen, die Strom erzeugen oder damit Handel treiben und diesen an Endkunden veräußern, die an das Stromnetz im Gebiet der Republik Polen angeschlossen sind, sind, soweit dies in nach Abs. 10 erlassenen Rechtsvorschriften festgelegt ist, verpflichtet, Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung, der ihnen von im Gebiet der Republik Polen gelegenen, an das Stromnetz angeschlossenen Energiequellen angeboten wird, abzunehmen.”

Rz. 4

Art. 56 Abs. 1 Nr. 1a des Energiegesetzes bestimmt:

„Eine Geldbuße wird gegen jede Person verhängt,

1a) die gegen ihre Pflicht zur Erwirkung eines Ursprungszeugnisses und zu dessen Vorlage zu Amortisierungszwecken beim Leiter der ERB verstößt oder die die Ersatzzahlung nach Art. 9a Abs. 1 nicht leistet oder die gegen ihre in Art. 9a Abs. 6 bis 8 festgelegte Pflicht zur Abnahme von Strom und Wärme verstößt”.

Rz. 5

Art. 56 Abs. 2 des Gesetzes sieht vor:

„Die in Abs. 1 vorgesehene Geldbuße wird vom Leiter der [ERB] verhängt.”

Rz. 6

Art. 56 Abs. 2b des Gesetzes lautet:

„Die Einnahmen aus den Geldbußen, die in den in Abs. 1 Nr. 1a bestimmten Fällen wegen Nichtbeachtung der in Art. 9a Abs. 1 und 6 bis 8 festgelegten Pflichten verhängt werden, fließen dem Narodowy Fundusz Ochrony Srodowiska i Gospodarki Wodnej (nationaler Fonds zum Schutz der Umwelt und zur Wasserbewirtschaftung) zu.”

Rz. 7

In § 5 Nr. 2 der Rozporządzenie Ministra Gospodarki i Pracy w sprawie szczególowego zakresu obowiązku zakupu energii elektrycznej wytwarzanej w skojarzeniu z wytwarzaniem ciepla (Verordnung des Ministers für Wirtschaft und Arbeit über die Spezifizierung der Abnahmepflicht von bei gleichzeitiger Wärmegewinnung erzeugter elektrischer Energie) vom 9. Dezember 2004 heißt es:

„Die in Art. 9a Abs. 8 des [Energieg]esetzes vorgesehene Pflicht gilt als erfüllt, wenn der abgenommene Strom, der aus kombinierten an das Stromnetz angeschlossenen Energiequellen stammt oder von dem betreffenden Elektrizitätsunternehmen aus eigenen kombinierten Energiequellen erzeugt wird und an Kunden veräußert wird, die Strom für ihren eigenen Bedarf kaufen, mindestens folgenden Anteil der gesamten an die betreffenden Kunden verkauften Jahresmenge Strom ausmacht:

2) 15 % im Jahr 2006”.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rz. 8

Das Energiegesetz sah für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis ...

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