Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Unlautere Geschäftspraktiken. Aggressive Geschäftspraktiken. Unter allen Umständen aggressive Geschäftspraktiken. Lieferung einer unbestellte Ware oder Dienstleistung. Telekommunikationsdienste. Verkauf von SIM-Karten (‚Subscriber Identity Module’, Teilnehmer-Identifikationsmodul) mit bestimmten vorinstallierten und -aktivierten Diensten. Keine vorherige Aufklärung der Verbraucher
Normenkette
Richtlinie 2005/29/EG Art. 3 Abs. 4, Art. 5, 8-9; Richtlinie 2002/22/EG; Richtlinie 2002/21/EG
Beteiligte
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato |
Tenor
1. Der Begriff „unbestellte Waren oder Dienstleistungen” im Sinne von Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen dahin auszulegen, dass er ein Verhalten wie das in den Ausgangsverfahren fragliche umfasst, das darin besteht, dass ein Telekommunikationsanbieter SIM-Karten „Subscriber Identity Module”,Teilnehmer-Identifikationsmodul) vermarktet, auf denen bestimmte Dienste – wie Internetzugangs- und Mailbox-Dienste – vorinstalliert und -aktiviert sind, ohne dass der Verbraucher zuvor angemessen darüber aufgeklärt wurde, dass diese Dienste vorinstalliert und -aktiviert sind oder welche Kosten hierfür anfallen.
2. Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach ein Verhalten wie das in den Ausgangsverfahren fragliche, das im Sinne von Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 die Lieferung einer unbestellten Ware oder Dienstleistung darstellt, nach den Bestimmungen der Richtlinie zu beurteilen ist, so dass nach den Regelungen der Richtlinie 2005/29 die nationale Regulierungsbehörde im Sinne der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) in der Fassung der Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 für die Sanktionierung eines solchen Verhaltens nicht zuständig ist.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidungen vom 22. September 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Februar 2017, in den Verfahren
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato
gegen
Wind Tre SpA, vormals Wind Telecomunicazioni SpA (C-54/17),
Vodafone Italia SpA, vormals Vodafone Omnitel NV (C-55/17),
Beteiligte:
Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (C-54/17),
Altroconsumo,
Vito Rizzo (C-54/17),
Telecom Italia SpA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Wind Tre SpA, vertreten durch G. Roberti, I. Perego und M. Serpone, avvocati,
- derVodafone Italia SpA, vertreten durch F. Cintioli und V. Minervini, avvocati,
- der Telecom Italia SpA, vertreten durch M. Siragusa und F. Caronna, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Meloncelli und S. Fiorentino, avvocati dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Cleenewerck de Crayencour, L. Nicolae und L. Malferrari als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Mai 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 3 Abs. 4, Art. 8 und 9 sowie Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. 2005, L 149, S. 22, Berichtigung ABl. 2009, L 253, S. 18), von Art. 3 und 4 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ...