Entscheidungsstichwort (Thema)
Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Vollstreckbarerklärung. Versagungsgründe. Befolgung der gerichtlichen Entscheidung, deren Vollstreckbarerklärung beantragt wurde, im Urteilsstaat
Beteiligte
Jaap Anne van der Meer in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Arilco Holland BV |
Tenor
Art. 45 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er der Versagung oder Aufhebung einer Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung durch ein Gericht, das über einen Rechtsbehelf gemäß Art. 43 oder 44 dieser Verordnung zu entscheiden hat, aus einem anderen als einem in den Art. 34 und 35 dieser Verordnung genannten Grund, wie etwa dem, dass der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat nachgekommen wurde, entgegensteht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 12. März 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 17. März 2010, in dem Verfahren
Prism Investments BV
gegen
Jaap Anne van der Meer in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Arilco Holland BV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūunas,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn van der Meer in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Arilco Holland BV, vertreten durch J. A. M. A. Sluysmans, advocaat,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels, B. Koopman und M. Noort als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux als Bevollmächtigten,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und K. Petkovska als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und R. Troosters als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Juni 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Prism Investments BV (im Folgenden: Prism Investments), einer Gesellschaft niederländischen Rechts, und Herrn van der Meer in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Arilco Holland BV (im Folgenden: Arilco Holland), der niederländischen Tochter der Gesellschaft belgischen Rechts Arilco Opportune NV (im Folgenden: Arilco Opportune), über die Vollstreckung einer Entscheidung eines belgischen Gerichts, mit der eine Verurteilung zur Zahlung eines Geldbetrags ausgesprochen wurde, in den Niederlanden.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 16 und 17 der Verordnung Nr. 44/2001 lauten:
„(16) Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden.
(17) Aufgrund dieses gegenseitigen Vertrauens ist es auch gerechtfertigt, dass das Verfahren, mit dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung für vollstreckbar erklärt wird, rasch und effizient vonstatten geht. Die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung muss daher fast automatisch nach einer einfachen formalen Prüfung der vorgelegten Schriftstücke erfolgen, ohne dass das Gericht die Möglichkeit hat, von Amts wegen eines der in dieser Verordnung vorgesehenen Vollstreckungshindernisse aufzugreifen.”
Rz. 4
In Kapitel III der Verordnung Nr. 44/2001, das die Art. 32 bis 56 umfasst, werden die Regeln über die Anerkennung und die Vollstreckung von in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten dargestellt.
Rz. 5
Art. 34 dieser Verordnung sieht vor:
„Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn
- die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde;
- dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtze...