Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Verordnung (EG) Nr. 659/1999. Art. 10 Abs. 3. Entscheidung, mit der eine Auskunftserteilung angeordnet wird. Anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV
Beteiligte
Deutsche Post / Kommission |
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
1. Die Beschlüsse des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Juli 2010, Deutsche Post/Kommission (T-570/08) und Deutschland/Kommission (T-571/08), werden aufgehoben.
2. Die von der Europäischen Kommission vor dem Gericht der Europäischen Union erhobenen Einreden der Unzulässigkeit werden zurückgewiesen.
3. Die Rechtssachen werden zur Entscheidung über die Anträge der Deutschen Post AG (T-570/08) und der Bundesrepublik Deutschland (T-571/08) auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 30. Oktober 2008, mit der der Bundesrepublik Deutschland gegenüber im Verfahren über die staatliche Beihilfe an die Deutsche Post die Erteilung von Auskünften angeordnet wurde, an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. und 27. September 2010,
Deutsche Post AG mit Sitz in Bonn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Sedemund und T. Lübbig,
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze, J. Möller und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Verfahrensbeteiligte:
Europäische Kommission, vertreten durch B. Martenczuk und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und D. Šváby,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2011,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Juni 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Deutsche Post AG (im Folgenden: Deutsche Post) und die Bundesrepublik Deutschland die Aufhebung der Beschlüsse des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Juli 2010, Deutsche Post/Kommission (T-570/08) und Deutschland/Kommission (T-571/08) (im Folgenden zusammen: angefochtene Beschlüsse), mit denen das Gericht ihre Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 30. Oktober 2008, mit der der Bundesrepublik Deutschland gegenüber im Verfahren über die staatliche Beihilfe an die Deutsche Post die Erteilung von Auskünften angeordnet wurde (im Folgenden: streitige Handlung), als unzulässig abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. L 83, S. 1) verpflichtet einen Mitgliedstaat, der ein Vorhaben zur Gewährung einer neuen Beihilfe bei der Europäischen Kommission anmeldet, in seiner Anmeldung „alle sachdienlichen Auskünfte [zu übermitteln], damit diese eine Entscheidung nach den Artikeln 4 und 7 erlassen kann”.
Rz. 3
Art. 5 der Verordnung Nr. 659/1999 bestimmt:
„(1) Vertritt die Kommission die Auffassung, dass die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Informationen über eine Maßnahme, die nach Artikel 2 angemeldet wurde, unvollständig sind, so fordert sie alle sachdienlichen ergänzenden Auskünfte an. …
(2) Wird eine von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangte Auskunft innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so übermittelt die Kommission ein Erinnerungsschreiben, in dem sie eine zusätzliche Frist für die Auskunftserteilung festsetzt.
(3) Die Anmeldung gilt als zurückgezogen, wenn die angeforderten Auskünfte nicht innerhalb der festgesetzten Frist vorgelegt werden …”
Rz. 4
Art. 10 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor:
„(1) Befindet sich die Kommission im Besitz von Informationen gleich welcher Herkunft über angebliche rechtswidrige Beihilfen, so prüft sie diese Informationen unverzüglich.
(2) Gegebenenfalls verlangt die Kommission von dem betreffenden Mitgliedstaat Auskünfte. In diesem Fall gelten Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 5 Absätze 1 und 2 entsprechend.
(3) Werden von dem betreffenden Mitgliedstaat trotz eines Erinnerungsschreibens nach Artikel 5 Absatz 2 die verlangten Auskünfte innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so fordert die Kommission die Auskünfte durch Entscheidung an (nachstehend ‚Anordnung zur Auskunftserteilung’ genannt). Die Entscheidung bezeichnet die angeforderten Auskünfte und legt eine angemessene Frist zur Erteilung dieser Auskünfte fest.”
Rz. 5
Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 lautet:
„Nach Prüfung einer etwaigen rechtswidrigen B...