Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 89/105/EWG. Transparenz der Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch. Art. 4 Abs. 1. Unmittelbare Wirkung. Preisstopp
Beteiligte
Association générale de l'industrie du médicament (AGIM) ASBL |
Sanofi-Aventis Belgium SA, ehemals Sanofi-Synthelabo SA |
Tenor
1. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme ist dahin auszulegen, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, unter Beachtung des mit dieser Richtlinie verfolgten Transparenzziels und der in ihrem Art. 4 Abs. 1 vorgesehenen Anforderungen die Kriterien festzulegen, anhand deren die in dieser Bestimmung vorgesehene Überprüfung der gesamtwirtschaftlichen Lage zu erfolgen hat, wobei diese Kriterien auf objektive und nachprüfbare Daten gestützt sein müssen.
2. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 89/105 ist dahin auszulegen, dass er inhaltlich nicht so genau ist, dass sich ein Einzelner vor einem nationalen Gericht gegenüber einem Mitgliedstaat auf ihn berufen könnte.
3. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 89/105 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat 18 Monate nach Beendigung eines acht Jahre währenden allgemeinen Preisstopps für erstattungsfähige Arzneimittel einen neuen Preisstopp für Arzneimittel ohne die in dieser Bestimmung vorgesehene Überprüfung der gesamtwirtschaftlichen Lage erlassen kann.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Conseil d'État (Belgien) mit Entscheidungen vom 15. Oktober 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Oktober 2007, in den Verfahren
Association générale de l'industrie du médicament (AGIM) ASBL (C-471/07 und C-472/07),
Bayer SA (C-471/07 und C-472/07),
Pfizer SA (C-471/07 und C-472/07),
Servier Benelux SA (C-471/07 und C-472/07),
Janssen Cilag SA (C-471/07),
Sanofi-Aventis Belgium SA, ehemals Sanofi-Synthelabo SA (C-472/07),
gegen
État belge,
Beteiligte:
Sanofi-Aventis Belgium SA (C-471/07),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis und T. von Danwitz,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Association générale de l'industrie du médicament (AGIM) ASBL, der Bayer SA, der Janssen Cilag SA, der Pfizer SA, der Sanofi-Aventis Belgium SA und der Servier Benelux SA, vertreten durch X. Leurquin, avocat,
- der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne als Bevollmächtigten im Beistand von J. Sohier und P. Hofströssler, avocats,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Šimerdová und R. Troosters als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (ABl. 1989, L 40, S. 8).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Association générale de l'industrie du médicament (AGIM) ASBL, der Bayer SA, der Pfizer SA, der Servier Benelux SA, der Janssen Cilag SA und der Sanofi-Aventis Belgium SA, ehemals Sanofi-Synthelabo SA, (im Folgenden zusammen: Klägerinnen der Ausgangsverfahren) einerseits und dem belgischen Staat andererseits über von der belgischen Regierung erlassene Preisstopps für Arzneimittel.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Im fünften und im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 89/105 heißt es:
„Ziel dieser Richtlinie ist es, einen Überblick über die einzelstaatlichen Vereinbarungen zur Preisfestsetzung zu erhalten, einschließlich ihres Funktionierens in bestimmten Fällen und aller ihnen zugrunde liegenden Kriterien, und sie allen Teilnehmern am Arzneimittelmarkt in den Mitgliedstaaten allgemein zugänglich zu machen. …
Als erster Schritt zur Beseitigung dieser Unterschiede erweist sich die Festlegung einer Reihe von Anforderungen als dringend notwendig, die darauf abzielen, sicherzustellen, dass alle Betroffenen überprüfen können, dass die einzelstaatlichen Maßnahmen keine mengenmäßigen Beschränkungen für die Ein- oder Ausfuhr oder Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen. Diese Anforderungen beeinflussen jedoch nicht die Politik der Mitgliedstaaten, die für die Preisfestsetzung für Arzneim...