Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Wettbewerb. Kartelle. Manipulation von Ausschreibungsverfahren. Bestimmung der Dauer des Zuwiderhandlungszeitraums. Einbeziehung des Zeitraums, in dem die am Kartell Beteiligten die wettbewerbswidrige Vereinbarung umgesetzt haben. Wirtschaftliche Auswirkungen des wettbewerbswidrigen Verhaltens. Beendigung der Zuwiderhandlung zum Zeitpunkt der endgültigen Auftragsvergabe
Normenkette
AEUV Art. 101
Beteiligte
Kilpailu- ja kuluttajavirasto |
Kilpailu- ja Kuluttajavirasto |
Tenor
Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass, wenn ein Unternehmen, das an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmung beteiligt gewesen sein soll, deren Tatbestand letztmalig durch die mit seinen Wettbewerbern abgestimmte Abgabe eines Angebots im Rahmen einer Ausschreibung für die Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags verwirklicht worden sein soll, den Zuschlag erhalten und mit dem öffentlichen Auftraggeber einen Vertrag über Bauleistungen geschlossen hat, in dem die wesentlichen Merkmale des Auftrags und insbesondere der als Gegenleistung für die Arbeiten zu zahlende Gesamtpreis bestimmt sind, wobei deren Ausführung und die Zahlung des Preises hierfür zeitlich gestaffelt sind, der Zeitraum der Zuwiderhandlung dem Zeitraum bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags entspricht, der auf der Grundlage des von dem Unternehmen abgegebenen abgestimmten Angebots zwischen ihm und dem öffentlichen Auftraggeber abgeschlossen wurde. Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt die wesentlichen Merkmale des in Rede stehenden Auftrags und insbesondere der als Gegenleistung für die Arbeiten zu zahlende Gesamtpreis endgültig bestimmt wurden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Finnland) mit Entscheidung vom 10. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juni 2019, in dem Verfahren auf Antrag der
Kilpailu- ja Kuluttajavirasto,
Beteiligte:
Eltel Group Oy,
Eltel Networks Oy,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter A. Kumin, T. von Danwitz und P. G. Xuereb,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Kilpailu- ja kuluttajavirasto, vertreten durch J. Nyländen, J. Broms, K. Leivo und T. Mattila als Bevollmächtigte,
- der Eltel Group Oy und der Eltel Networks Oy, vertreten durch T. Saraste, M. Joutsimo, C. Wik und A. Paanajärvi, asianajajat,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski und A. Laine als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch R. Kanitz und J. Möller als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri, als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
- der lettischen Regierung, vertreten durch V. Soneca, L. Juškeviča und K. Pommere als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Paasivirta, G. Meessen und L. Wildpanner als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. September 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 101 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens auf Antrag der Kilpailu- ja Kuluttajavirasto (Wettbewerbs- und Verbraucherbehörde, Finnland) betreffend die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Markkinaoikeus (Gericht für Wirtschaftssachen, Finnland), mit der dieses ihr Ersuchen zurückgewiesen hat, die Eltel Group Oy und die Eltel Networks Oy (im Folgenden zusammen: Eltel) wegen eines Verstoßes gegen das finnische Wettbewerbsrecht und das Wettbewerbsrecht der Union als Gesamtschuldner zu einer Geldbuße zu verurteilen.
Finnisches Recht
Rz. 3
Gemäß § 22 des Kilpailunrajoituksista annettu laki 480/1992 (Gesetz 480/1992 gegen Wettbewerbsbeschränkungen) in der durch das Gesetz 318/2004 geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) darf eine Geldbuße u. a. nicht wegen eines Verstoßes gegen § 4 des Gesetzes oder Art. 101 AEUV verhängt werden, wenn der entsprechende Antrag an das Markkinaoikeus (Gericht für Wirtschaftssachen) nicht innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt gestellt wird, in dem die Wettbewerbsbeschränkung geendet oder die Wettbewerbs- und Verbraucherbehörde Kenntnis von der Wettbewerbsbeschränkung erlangt hat.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Rz. 4
Am 16. April 2007 veröffentlichte Fingrid Oyj, das Unternehmen, das in Finnland Eigentümer des Hochspannungsübertragungsnetzes und für dessen Ausbau verantwortlich ist sowie dort der Hauptkunde von Arbeiten an solchen Hochspannungsübertragungsleitungen ist, für die Wirtschaftsteilnehmer des Sektors eine in engl...