Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Warenverkehr. Art. 28 EG. Maßnahmen gleicher Wirkung -Richtlinie 2000/31/EG. Nationale Rechtsvorschriften, die den Vertrieb von Bildträgern im Versandhandel verbieten, die nicht von der zuständigen Stelle zum Zweck des Schutzes Minderjähriger geprüft und eingestuft wurden und die keine Angabe dieser Stelle über die Altersfreigabe tragen. Aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführte Bildträger, die von dessen zuständiger Stelle geprüft und eingestuft wurden und eine Angabe über die Altersfreigabe tragen. Rechtfertigung. Schutz des Kindes. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Beteiligte
Dynamic Medien Vertriebs GmbH |
Tenor
Art. 28 EG steht einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegen, die den Verkauf und die Überlassung von Bildträgern im Versandhandel verbietet, die nicht von einer obersten Landesbehörde oder einer innerstaatlichen Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle zum Zweck des Schutzes Minderjähriger geprüft und eingestuft wurden und die keine Angabe einer solchen Behörde oder Organisation über die Altersfreigabe tragen, es sei denn, dass das durch die Regelung vorgesehene Verfahren zur Prüfung, Einstufung und Kennzeichnung von Bildträgern nicht leicht zugänglich ist oder nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums abgeschlossen werden kann oder dass die Ablehnungsentscheidung nicht in einem gerichtlichen Verfahren angefochten werden kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landgericht Koblenz (Deutschland) mit Entscheidung vom 25. April 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Mai 2006, in dem Verfahren
Dynamic Medien Vertriebs GmbH
gegen
Avides Media AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter), der Richter U. Lõhmus, J. Klučka und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Dynamic Medien Vertriebs GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte W. Konrad und F. Weber,
- der Avides Media AG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Grau,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, C. Blaschke und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
- Irlands, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von P. McGarry, BL,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigten im Beistand von M. Hoskins, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Schima als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. September 2007
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 28 EG und 30 EG sowie der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) (ABl. L 178, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Dynamic Medien Vertriebs GmbH (im Folgenden: Dynamic Medien) und der Avides Media AG (im Folgenden: Avides Media), zwei Gesellschaften deutschen Rechts, wegen des Vertriebs von aus dem Vereinigten Königreich stammenden Bildträgern durch Avides Media im Internetversandhandel in Deutschland, die dort nicht von einer obersten Landesbehörde oder einer innerstaatlichen Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle zum Zweck des Schutzes Minderjähriger geprüft und eingestuft wurden und die keine Angabe einer solchen Behörde oder Organisation über die Altersfreigabe tragen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 soll die Richtlinie 2000/31 einen Beitrag zum einwandfreien Funktionieren des Binnenmarkts leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellt.
Rz. 4
Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 definiert den Begriff „koordinierter Bereich” als „die für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft und die Dienste der Informationsgesellschaft in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten festgelegten Anforderungen, ungeachtet der Frage, ob sie allgemeiner Art oder speziell für sie bestimmt sind”.
Rz. 5
In Art. 2 Buchst. h Ziff. ii der Richtlinie 2000/31 wird klargestellt, dass der koordinierte Bereich keine Anforderungen wie Anforderungen betreffend die Waren als solche und Anforderungen betreffend die Lieferung von Waren umfasst. Als Anforderungen betreffend die Waren nennt der 21. Erwägungsgrund der Richtlinie Sicherheitsnormen, Kennzeichnungspflichten oder Haftung für Waren.
Rz. 6
Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 dürfen die Mitgliedstaaten den freien Verkehr von Diensten de...