Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen. ‚Unterlegene Partei'. Kosten des Verfahrens. Verteilung. Verfahrensrechte der Mitgliedstaaten
Normenkette
EGV Nr. 861/2007 Art. 16, 19
Beteiligte
Société du Journal L'Est Républicain |
Tenor
Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach das nationale Gericht, wenn eine Partei nur teilweise obsiegt, jeder Partei ihre eigenen Kosten oder den Parteien die Kosten zu gleichen Teilen auferlegen kann. In einem solchen Fall steht es dem nationalen Gericht grundsätzlich frei, diese Kosten aufzuteilen, sofern die nationalen Verfahrensvorschriften zur Aufteilung der Verfahrenskosten bei geringfügige Forderungen betreffenden grenzüberschreitenden Streitigkeiten nicht ungünstiger sind als die Verfahrensvorschriften, die für gleichartige dem innerstaatlichen Recht unterliegende Situationen gelten, und sofern die Verfahrenserfordernisse im Zusammenhang mit der Aufteilung dieser Verfahrenskosten nicht dazu führen, dass die Betroffenen darauf verzichten, sich dieses europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen zu bedienen, weil der Kläger danach, selbst wenn er überwiegend obsiegt hat, gleichwohl seine eigenen Kosten oder einen erheblichen Teil derselben zu tragen hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Svea hovrätt (Berufungsgericht mit Sitz in Stockholm, Schweden) mit Entscheidung vom 11. September 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 21. September 2017, in dem Verfahren
Rebecka Jonsson
gegen
Société du Journal L'Est Républicain
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter J. Malenovský, L. Bay Larsen (Berichterstatter), M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Jonsson, vertreten durch S. Teste, jur. kand.,
- der kroatischen Regierung, vertreten durch T. Galli als Bevollmächtigten,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,
- der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson und M. Heller, als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. 2007, L 199, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Rebecka Jonsson, wohnhaft in Schweden, und der Société du Journal L'Est Républicain mit Sitz in Frankreich (im Folgenden: L'Est Républicain) wegen eines Antrags auf Erstattung von Verfahrenskosten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der 29. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 861/2007 lautet:
„Die unterlegene Partei sollte die Kosten des Verfahrens tragen. Die Kosten des Verfahrens sollten nach einzelstaatlichem Recht festgesetzt werden. Angesichts der Ziele der Einfachheit und der Kosteneffizienz sollte das Gericht anordnen, dass eine unterlegene Partei lediglich die Kosten des Verfahrens tragen muss, einschließlich beispielsweise sämtlicher Kosten, die aufgrund der Tatsache anfallen, dass sich die Gegenpartei durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsbeistand hat vertreten lassen, oder sämtlicher Kosten für die Zustellung oder Übersetzung von Dokumenten, die im Verhältnis zum Streitwert stehen oder die notwendig waren.”
Rz. 4
In Art. 1 dieser Verordnung heißt es:
„Mit dieser Verordnung wird ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen eingeführt, damit Streitigkeiten in grenzüberschreitenden Rechtssachen mit geringem Streitwert einfacher und schneller beigelegt und die Kosten hierfür reduziert werden können. …”
Rz. 5
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung bestimmt:
„Diese Verordnung gilt für grenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt, wenn der Streitwert der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Eingangs beim zuständigen Gericht 2 000 [Euro] nicht überschreitet. …”
Rz. 6
Art. 16 dieser Verordnung sieht vor:
„Die unterlegene Partei trägt die Kosten des Verfahrens. Das Gericht spricht der obsiegenden Partei jedoch keine Erstattung für Kosten zu, soweit sie nicht notwendig waren oder in keinem Verhältnis zu der Klage stehen.”
Rz. 7
A...