Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen. Anwendungsbereich. Begriff ‚Parteien’. Grenzüberschreitende Rechtssachen
Normenkette
EGV Nr. 861/2007 Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
1. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen in der durch die Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Parteien” nur die klagende und die beklagte Partei des Ausgangsverfahrens umfasst.
2. Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 861/2007 in der durch die Verordnung Nr. 517/2013 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass ein Rechtsstreit wie das Ausgangsverfahren, in dem die klagende und die beklagte Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat haben, in dem auch das angerufene Gericht seinen Sitz hat, nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Okresný súd Dunajská Streda (Bezirksgericht Dunajská Streda, Slowakische Republik) mit Entscheidung vom 18. September 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 8. November 2017, in dem Verfahren
ZSE Energia, a.s.
gegen
RG,
Beteiligte:
ZSE Energia CZ, s. r. o.,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Achten Kammer F. Biltgen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zehnten Kammer, des Richters E. Levits (Berichterstatter) und der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch M. J. Castello-Branco, L. Inez Fernandes und M. Figueiredo als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und A. Tokár als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. 2007, L 199, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. 2013, L 158, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 861/2007).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ZSE Energia, a.s. und RG wegen der Beitreibung einer Forderung mit einem Hauptbetrag von 423,74 Euro.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 861/2007
Rz. 3
Im siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 861/2007 heißt es:
„… Die Hindernisse für ein schnelles Urteil mit geringen Kosten verschärfen sich in grenzüberschreitenden Fällen. Es ist daher erforderlich, ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen einzuführen. Ziel eines solchen europäischen Verfahrens sollte der erleichterte Zugang zur Justiz sein. …”
Rz. 4
Im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 861/2007 heißt es:
„Mit dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen sollten Streitigkeiten mit geringem Streitwert in grenzüberschreitenden Fällen vereinfacht und beschleunigt und die Kosten verringert werden, indem ein fakultatives Instrument zusätzlich zu den Möglichkeiten geboten wird, die nach dem Recht der Mitgliedstaaten bestehen und unberührt bleiben. …”
Rz. 5
Im elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 861/2007 heißt es:
„Zur Erleichterung der Einleitung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen sollte der Kläger ein Klageformblatt ausfüllen und beim zuständigen Gericht einreichen. …”
Rz. 6
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 861/2007 lautet:
„Mit dieser Verordnung wird ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen eingeführt, damit Streitigkeiten in grenzüberschreitenden Rechtssachen mit geringem Streitwert einfacher und schneller beigelegt und die Kosten hierfür reduziert werden können. Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen steht den Rechtssuchenden als eine Alternative zu den in den Mitgliedstaaten bestehenden innerstaatlichen Verfahren zur Verfügung.”
Rz. 7
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 861/2007 sieht vor:
„Diese Verordnung gilt für grenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt, wenn der Streitwert der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Eingangs beim zuständigen Gericht 2 000 [Euro] nicht überschreitet. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen ...