Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Entscheidung der Kommission, mit der ein rechtswidriges Kartell auf dem europäischen Markt für Wasserstoffperoxid und Perborat festgestellt wird. Veröffentlichung einer erweiterten nicht vertraulichen Fassung der Entscheidung. Ablehnung eines Antrags auf vertrauliche Behandlung bestimmter Informationen. Mandat des Anhörungsbeauftragten. Beschluss 2011/695/EU. Vertraulichkeit. Schutz des Berufsgeheimnisses. Begriff ‚Geschäftsgeheimnisse oder sonstige vertrauliche Informationen’. Informationen, die sich aus einem Kronzeugenantrag ergeben. Ablehnung des Antrags auf vertrauliche Behandlung. Vertrauensschutz
Normenkette
AEUV Art. 101-102, 339; Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Art. 30
Beteiligte
Evonik Degussa / Kommission |
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 28. Januar 2015, Evonik Degussa/Kommission (T-341/12, EU:T:2015:51), wird insoweit aufgehoben, als das Gericht damit entschieden hat, dass der Anhörungsbeauftragte zu Recht seine Zuständigkeit dafür verneint habe, auf die Einwände einzugehen, die die Evonik Degussa GmbH auf der Grundlage der Wahrung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung gegen die geplante Veröffentlichung einer nicht vertraulichen detaillierten Fassung der Entscheidung K(2006) 1766 endg. der Kommission vom 3. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen gegen Akzo Nobel, Akzo Nobel Chemicals Holding AB, Eka Chemicals AB, Degussa AG, Edison SpA, FMC Corporation, FMC Foret SA, Kemira OYJ, L'Air Liquide SA, Chemoxal SA, Snia SpA, Caffaro Srl, Solvay SA/NV, Solvay Solexis SpA, Total SA, Elf Aquitaine SA und Arkema SA (Sache COMP/F/38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) erhoben hatte.
2. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.
3. Der Beschluss C(2012) 3534 final der Kommission vom 24. Mai 2012 über die Ablehnung eines Antrags der Evonik Degussa GmbH auf vertrauliche Behandlung wird insoweit für nichtig erklärt, als darin der Anhörungsbeauftragte seine Zuständigkeit dafür verneint hat, auf die in Nr. 1 des Tenors des vorliegenden Urteils genannten Einwände einzugehen.
4. Die Evonik Degussa GmbH und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 8. April 2015,
Evonik Degussa GmbH mit Sitz in Essen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: C. Steinle, C. von Köckritz und A. Richter,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch G. Meessen, M. Kellerbauer und F. van Schaik als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, T. von Danwitz und E. Regan (Berichterstatter), der Richter E. Levits, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan, C. G. Fernlund, C. Vajda, S. Rodin und F. Biltgen,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2016,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Juli 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Evonik Degussa GmbH die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 28. Januar 2015, Evonik Degussa/Kommission (T-341/12, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:51), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2012) 3534 final der Kommission vom 24. Mai 2012 (Sache COMP/38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat, im Folgenden: streitiger Beschluss) über die Ablehnung eines Antrags der Rechtsmittelführerin auf vertrauliche Behandlung nach Artikel 8 des Beschlusses 2011/695/EU des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (ABl. 2011, L 275, S. 29) abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EG) Nr. 1/2003
Rz. 2
Art. 28 („Berufsgeheimnis”) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) lautet:
„(1) Unbeschadet der Artikel 12 und 15 dürfen die gemäß den Artikeln 17 bis 22 erlangten Informationen nur zu dem Zweck verwertet werden, zu dem sie eingeholt wurden.
(2) Unbeschadet des Austauschs und der Verwendung der Informationen gemäß den Artikeln 11, 12, 14, 15 und 27 sind die Kommission und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten und ihre Beamten, ihre Bediensteten und andere unter ihrer Aufsicht tätigen Personen sowie die Beamten und sonstigen Bediensteten anderer Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet, keine Informationen preiszugeben, die sie bei der Anwendung dieser Verordnun...