Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten im Bereich des geistigen Eigentums. Von den Mitgliedstaaten für besondere Rechtsgebiete geschlossene Übereinkommen. Benelux-Übereinkommen über geistiges Eigentum. Gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Benelux-Marken, -Marken und -Modelle
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 22 Nr. 4, Art. 71; AEUV Art. 350
Beteiligte
Brite Strike Technologies |
Brite Strike Technologies Inc |
Brite Strike Technologies SA |
Tenor
Art. 71 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen untersagt unter Berücksichtigung von Art. 350 AEUV nicht, die in Art. 4.6 des Benelux-Übereinkommens über geistiges Eigentum (Marken und Muster oder Modelle) vom 25. Februar 2005, unterzeichnet in Den Haag von dem Königreich Belgien, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande, enthaltene Regel über die gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Benelux-Marken, -Muster und -Modelle auf diese Rechtsstreitigkeiten anzuwenden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag, Niederlande) mit Entscheidung vom 13. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Mai 2015, in dem Verfahren
Brite Strike Technologies Inc.
gegen
Brite Strike Technologies SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und R. Troosters als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Mai 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Nr. 4 und Art. 71 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Brite Strike Technologies Inc. mit Sitz in Plymouth, Massachusetts (Vereinigte Staaten von Amerika), und der Brite Strike Technologies SA mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg) wegen eines Antrags der Brite Strike Technologies Inc., eine Marke der Brite Strike Technologies SA für nichtig zu erklären.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 11 und 12 der Verordnung Nr. 44/2001 hieß es:
„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.”
Rz. 4
Nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 war diese „in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten”.
Rz. 5
In Art. 22 Nr. 4 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, der sich in Abschnitt 6 „Ausschließliche Zuständigkeiten”) des Kapitels II der Verordnung befand, hieß es:
„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig:
…
4. für Klagen, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, die einer Hinterlegung oder Registrierung bedürfen, zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines Gemeinschaftsrechtsakts oder eines zwischenstaatlichen Übereinkommens als vorgenommen gilt.
…”
Rz. 6
Art. 67 der Verordnung Nr. 44/2001, der sich in ihrem Kapitel VII „Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten”) befand, bestimmte:
„Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Bestimmungen, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit oder die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen regeln und in gemeinschaftlichen Rechtsakten … enthalten sind.”
Rz. 7
Art. 69 der Verordnung Nr. 44/2001 enthielt eine Liste der zwischen bestimmten Mitgliedstaaten vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 44/2001 geschlossen...