Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Eilvorabentscheidungsverfahren. Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen. Legaler Aufenthalt -Berechtigung zum Verbleib in einem Mitgliedstaat. Haft. Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung. Gültigkeit. Beschränkung. Verhältnismäßigkeit

 

Normenkette

Richtlinie 2008/115/EG; Richtlinie 2013/32/EU Art. 9; Richtlinie 2013/33/EU Art. 8 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. e; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 6, 52

 

Beteiligte

J. N

J. N

Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie

 

Tenor

Die Prüfung von Art. 8 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, hat nichts ergeben, was die Gültigkeit dieser Bestimmung im Licht der Art. 6 und 52 Abs. 1 und 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union berühren könnte.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad van State (Staatsrat, Niederlande) mit Entscheidung vom 17. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren

J. N.

gegen

Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter) und J. L. da Cruz Vilaça, der Kammerpräsidentin C. Toader, der Kammerpräsidenten D. Šváby und C. Lycourgos, des Richters E. Juhász, der Richterinnen M. Berger und A. Prechal, der Richter E. Jarašiūunas, C. G. Fernlund und C. Vajda sowie der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn N., vertreten durch S. Thelosen und S. Pijl, advocaten,
  • des Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie, vertreten durch D. Kuiper als Bevollmächtigten,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Noort und M. Bulterman als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch S. Vanrie, M. Jacobs und C. Pochet als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčcil und S. Šindelková als Bevollmächtigte,
  • der hellenischen Regierung, vertreten durch M. Michelogiannaki als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
  • der zyprischen Regierung, vertreten durch A. Argyropoulou als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • des Europäischen Parlaments, vertreten durch T. Lukácsi und R. van de Westelaken als Bevollmächtigte,
  • des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Chavrier und F. Naert als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande, H. Krämer und G. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Generalanwältin

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit von Art. 8 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180, S. 96).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn N. und dem Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie (Staatssekretär für Sicherheit und Justiz, im Folgenden: Staatssekretär) wegen der Inhaftnahme von Herrn N.

Rechtlicher Rahmen

EMRK

Rz. 3

Art. 5 („Recht auf Freiheit und Sicherheit”) der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) bestimmt in Abs. 1:

„Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.”

Charta

Rz. 4

Art. 6 („Recht auf Freiheit und Sicherheit”) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) lautet:

„Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.”

Rz. 5

In Art. 52 („Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze”) der Charta heißt es:

„(1) Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freihei...

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