Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Sicherheit von Wanderarbeitnehmern. Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats des Wohnsitzes. Gewährung einer Leistung für Arbeitslosigkeit von Grenzgängern bei Kurzarbeit. Auslegung der Verordnung zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf zu- und abwandernde Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige. Auslegung der Begriffe Kurzarbeit und Vollarbeitslosigkeit
Normenkette
EWGV 1408/71 Art. 71 Abs. 1; EWGV 2001/83
Beteiligte
Bestuur van het Landelijk instituut sociale verzekeringen |
Tenor
1. Die Kriterien, die der Feststellung dienen, ob ein Grenzgänger als Kurzarbeiter oder als vollarbeitslos im Sinne des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung anzusehen ist, müssen einheitlich und gemeinschaftlich sein. Diese Beurteilung kann sich nicht nach Kriterien des innerstaatlichen Rechts richten.
2. Wird ein Arbeitnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, auf dessen Gebiet er wohnt, von demselben Unternehmen weiter beschäftigt, jedoch in Teilzeitbeschäftigung, wobei er Anwärter auf eine Vollzeitbeschäftigung bleibt, so ist er Kurzarbeiter und die Leistungen werden vom zuständigen Träger dieses Staates gewährt. Hat ein Grenzgänger dagegen keine Verbindung mehr mit diesem Staat und ist er vollarbeitslos, so werden die Leistungen vom Träger des Wohnorts zu dessen Lasten gewährt. Es ist Sache des innerstaatlichen Gerichts, nach diesen Kriterien in dem Einzelfall, in dem es zu entscheiden hat, festzustellen, zu welcher Kategorie der Arbeitnehmer gehört.
Gründe
1.
Die Arrondissementsrechtbank Roermond hat mit Beschluss vom 3. Dezember 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Dezember 1998 gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) sechs Fragen nach der Auslegung des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen R. J. de Laat (im Folgenden: Kläger) und dem Bestuur van het Landelijk instituut sociale verzekeringen in den Niederlanden (im Folgenden: LISV) über die Gewährung einer Leistung bei Arbeitslosigkeit.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3.
Artikel 13 der Verordnung sieht vor:
(1)
Vorbehaltlich des Artikels 14c unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats.
Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2)
Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
a)
Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
…
4.
Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung bestimmt:
(1)
Für die Gewährung der Leistungen an einen arbeitslosen Arbeitnehmer, der während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen Staates wohnte, gilt Folgendes:
a)
i)
Grenzgänger erhalten bei Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehendem Arbeitsausfall in dem Unternehmen, das sie beschäftigt, Leistungen nachden Rechtsvorschriften des zuständigen Staates, als ob sie im Gebiet dieses Staates wohnten; diese Leistungen gewährt der zuständige Träger;
ii)
Grenzgänger erhalten bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnen, als ob während der letzten Beschäftigung die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats für sie gegolten hätten; diese Leistungen gewährt der Träger des Wohnorts zu seinen Lasten.
Nationale Rechtsvorschriften
5.
Im belgischen Recht sieht Artikel 131a Absatz 1 der Königlichen Verordnung vom 25. November 1991 über die Regelung der Arbeitslosigkeit (Moniteur belge vom 31. Dezember 1991, S. 29888) vor, dass ein Teilzeitarbeitnehmer mit Wahrung aller Rechtsansprüche für die Dauer seiner Teilzeitbeschäftigung eine Einkommensgarantie-Leistung erhalten kann, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Nach Artikel 29 Absatz 2 Nummer 1 dieser Verordnung gilt als Teilzeitarbeitnehmer mit Wahrung aller Rechtsansprüche ein Arbeitnehmer, der zu dem Zeitpunkt, in dem er in das Teilzei...