Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verschreibungspflichtige Humanarzneimittel. Anwendungsgebiet. Werbung einer Versandapotheke, mit der der Kunde nicht in seiner Entscheidung für ein bestimmtes Arzneimittel, sondern in seiner Entscheidung für eine bestimmte Apotheke beeinflusst werden soll. Werbegewinnspiel. Freier Warenverkehr. Nationale Regelung. Verbot, im Bereich der Heilmittel Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Verkaufsmodalitäten, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV fallen

 

Normenkette

Richtlinie 2001/83/EG; AEUV Art. 34

 

Beteiligte

DocMorris

DocMorris NV

Apothekerkammer Nordrhein

 

Tenor

1. Die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie auf eine nationale Regelung, die es einer Apotheke, die Arzneimittel im Versandhandel verkauft, verbietet, eine Werbeaktion in Form eines Gewinnspiels durchzuführen, bei dem die Teilnehmer Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die keine Arzneimittel sind, gewinnen können und die Teilnahme die Einsendung der Bestellung eines verschreibungspflichtigen Humanarzneimittels und des entsprechenden Rezepts voraussetzt, nicht anwendbar ist.

2. Art. 34 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer solchen nationalen Regelung nicht entgegensteht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Februar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Mai 2020, in dem Verfahren

DocMorris NV

gegen

Apothekerkammer Nordrhein

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras (Berichterstatter), der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der DocMorris NV, vertreten durch die Rechtsanwältinnen A. Feissel und K. Wodarz,
  • der Apothekerkammer Nordrhein, vertreten durch Rechtsanwalt M. Douglas,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sipos und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 (ABl. 2012, L 299, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der DocMorris NV, einer Gesellschaft niederländischen Rechts, die eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke betreibt, und der Apothekerkammer Nordrhein (Deutschland) wegen eines von DocMorris an die Kunden in Deutschland verteilten Flyers, mit dem für ein „Großes Gewinnspiel” geworben wurde, bei dem Teilnahmevoraussetzung das Einsenden eines Rezepts für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel war.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 98/34

Rz. 3

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/34) bestimmte:

„Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

2. ‚Dienst’: eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.”

Richtlinie 2000/31/EG

Rz. 4

Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) (ABl. 2000, L 178, S. 1) bestimmt:

„(1) Diese Richtlinie soll einen Beitrag zum einwandfreien Funktionieren des Binnenmarktes leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellt.

(2) Diese Richtlinie sorgt, soweit dies für die Erreichung des in Absatz 1 genannten Ziels erforderlich ist, für ein...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge