Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Grundfreiheiten. Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen. Außervertragliche Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die Einzelnen durch Unionsrechtsverstöße entstehen, die dem nationalen Gesetzgeber und den nationalen Gerichten zurechenbar sind
Normenkette
AEUV Art. 49, 56, 63
Beteiligte
Fernand Ullens de Schooten |
Tenor
Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass das System der außervertraglichen Haftung eines Mitgliedstaats für den durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht entstandenen Schaden im Fall eines Schadens, der einem Einzelnen aufgrund eines angeblichen Verstoßes gegen eine der in den Art. 49, 56 oder 63 AEUV vorgesehenen Grundfreiheiten durch eine nationale Regelung entstanden sein soll, die unterschiedslos auf Inländer und auf Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten anwendbar ist, keine Anwendung finden kann, wenn bei einem Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, kein Zusammenhang zwischen dem Gegenstand oder den Umständen des Ausgangsrechtsstreits und diesen Vorschriften besteht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d'appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) mit Entscheidung vom 24. April 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juni 2015, in dem Verfahren
Fernand Ullens de Schooten
gegen
État belge
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič und L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentinnen M. Berger und A. Prechal, des Kammerpräsidenten E. Regan, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter), D. Šváby, E. Jarašiūnas, C. G. Fernlund und C. Vajda,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Ullens de Schooten, vertreten durch E. Cusas, J. Derenne, M. Lagrue und N. Pourbaix, avocats,
- der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux, C. Pochet und S. Vanrie als Bevollmächtigte im Beistand von L. Grauer, R. Jafferali und R. van Melsen, avocats,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J.-P. Keppenne und W. Mölls als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49, 56 und 63 AEUV, des Art. 4 Abs. 3 EUV sowie der Grundsätze der Effektivität und des Vorrangs des Unionsrechts.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Fernand Ullens de Schooten und dem belgischen Staat über eine gegen Letzteren erhobene Klage aus außervertraglicher Haftung, die auf eine Verletzung von Unionsrecht durch die belgischen Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsorgane gestützt wird.
Rechtlicher Rahmen
Belgisches Recht
Königlicher Erlass Nr. 143
Rz. 3
Art. 3 § 1 des Arrêté royal nº 143 fixant les conditions auxquelles les laboratoires doivent répondre en vue de l'intervention de l'assurance maladie pour les prestations de biologie clinique (Königlicher Erlass Nr. 143 zur Festlegung der Bedingungen, denen die Labore entsprechen müssen im Hinblick auf die Beteiligung der Gesundheitspflegepflichtversicherung für Leistungen der klinischen Biologie) vom 30. Dezember 1982 (Belgisches Staatsblatt vom 12. Januar 1983) in der durch Art. 17 des Programmgesetzes vom 30. Dezember 1988 (Belgisches Staatsblatt vom 5. Januar 1989) geänderten Fassung (im Folgenden: Königlicher Erlass Nr. 143) bestimmt, dass Labore für klinische Biologie, um vom Minister der Volksgesundheit zugelassen zu werden und den Vorteil einer Kostenbeteiligung durch das Institut national d'assurance maladie invalidité (INAMI) (Landesinstitut für Kranken- und Invalidenversicherung [LIKIV]) zu erhalten, von Personen betrieben werden müssen, die zur Erbringung von Leistungen der klinischen Biologie befugt sind, d. h. von Ärzten, Pharmazeuten oder Lizenziaten der Chemie.
Zivilgesetzbuch
Rz. 4
Art. 2262bis § 1 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:
„Alle persönlichen Klagen verjähren in zehn Jahren.
In Abweichung von Absatz 1 verjähren alle Klagen zur Wiedergutmachung eines Schadens auf der Grundlage einer außervertraglichen Haftung in fünf Jahren ab dem Tag nach demjenigen, wo der Geschädigte von dem Schaden oder von dessen Verschlimmerung und von der Identität der dafür haftenden Person Kenntnis bekommen hat.
Die in Absatz 2 erwähnten Klagen verjähren in jedem Fall in 20 Jahren ab dem Tag nach demjenigen, wo das Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde, sich zugetragen hat.”
Koordinierte Gesetze über die Staatsbuchführung
Rz. 5
Art. 100 der Lois coordonnées sur la comptabi...