Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Drittstaatsangehöriger, der sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält. Gefahr für die öffentliche Ordnung und die nationale Sicherheit. Rückkehrentscheidung. Verbot der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Ausschreibung zur Verweigerung der Einreise in den Schengen-Raum. Drittstaatsangehöriger, der über einen von einem anderen Mitgliedstaat erteilten gültigen Aufenthaltstitel verfügt. Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen. Konsultationsverfahren zwischen dem ausschreibenden Mitgliedstaat und dem Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel erteilt hat. Frist. Keine Stellungnahme des konsultierten Vertragsstaats. Folgen für die Vollziehung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots
Normenkette
Richtlinie 2008/115/EG Art. 6 Abs. 2; SDÜ Art. 25
Beteiligte
Tenor
1. Art. 25 Abs. 2 des am 19. Juni 1990 unterzeichneten und am 26. März 1995 in Kraft getretenen Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen ist dahin auszulegen, dass es dem Vertragsstaat, der beabsichtigt, eine mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot für den Schengen-Raum versehene Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen zu erlassen, der über einen von einem anderen Vertragsstaat erteilten gültigen Aufenthaltstitel verfügt, zwar freisteht, das in dieser Bestimmung vorgesehene Konsultationsverfahren noch vor dem Erlass der Rückkehrentscheidung einzuleiten, dieses Verfahren jedoch eingeleitet werden muss, sobald eine derartige Entscheidung erlassen wurde.
2. Art. 25 Abs. 2 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen ist dahin auszulegen, dass er es nicht verbietet, eine mit einem Einreiseverbot versehene Rückkehrentscheidung, die ein Vertragsstaat gegen einen Drittstaatsangehörigen erlässt, der über einen von einem anderen Vertragsstaat erteilten gültigen Aufenthaltstitel verfügt, zu vollziehen, obwohl das in dieser Bestimmung vorgesehene Konsultationsverfahren läuft, sofern der Drittstaatsangehörige von dem ausschreibenden Vertragsstaat als Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit angesehen wird, unbeschadet der Möglichkeit des Drittstaatsangehörigen, die Rechte aus diesem Aufenthaltstitel geltend zu machen, indem er sich später in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats begibt. Ist eine angemessene Frist nach Beginn des Konsultationsverfahrens verstrichen und ist keine Antwort des konsultierten Vertragsstaats eingegangen, ist der ausschreibende Vertragsstaat jedoch verpflichtet, die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung zurückzuziehen und den Drittstaatsangehörigen gegebenenfalls in seine nationale Ausschreibungsliste aufzunehmen.
3. Art. 25 Abs. 2 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen ist dahin auszulegen, dass sich der Drittstaatsangehörige, der über einen von einem Vertragsstaat erteilten gültigen Aufenthaltstitel verfügt und gegen den in einem anderen Vertragsstaat eine mit einem Einreiseverbot versehene Rückkehrentscheidung erlassen wurde, vor dem nationalen Richter auf die Rechtswirkungen, die sich aus dem von dem ausschreibenden Vertragsstaat einzuleitenden Konsultationsverfahren ergeben, sowie auf die sich daraus ergebenden Verpflichtungen berufen kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) mit Entscheidung vom 2. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2017, in dem Verfahren
E
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça sowie der Richter E. Levits (Berichterstatter) und A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von E, vertreten durch J. Dunder, asianajaja,
- des Maahanmuuttovirasto, vertreten durch P. Lindroos als Bevollmächtigten,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
- der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs, C. Pochet und C. Van Lul als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und D. Klebs als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga, G. Wils und I. Koskinen als Bevollmächtigte,
- der schweizerischen Regierung, vertreten durch E. Bichet als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Si...