Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizügigkeit. Richtlinie 64/221/EWG. Staatsangehöriger eines Drittstaats, der mit einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats verheiratet ist. Einreise- und Aufenthaltsrecht. Beschränkung aus Gründen der öffentlichen Ordnung. Schengener Informationssystem. Ausschreibung zur Einreiseverweigerung
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 1 bis 3 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, verstoßen, dass es Herrn Farid die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten des am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichneten Übereinkommens betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen sowie Herrn Farid und Herrn Bouchair, Drittstaatsangehörigen, die mit Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats verheiratet sind, die Erteilung eines Sichtvermerks zur Einreise in den Schengen-Raum allein aus dem Grund verweigert hat, dass sie im Schengener Informationssystem zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben waren, ohne dass es vorher geprüft hat, ob die Anwesenheit dieser Personen eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft darstellte.
2. Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 27. November 2003,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. O'Reilly und L. Escobar Guerrero als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Königreich Spanien, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), C. W. A. Timmermans, A. Rosas und J. Malenovský, der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet und M. Ilešič,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. März 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 1 bis 3 und 6 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964, Nr. 56, S. 850), verstoßen hat, dass es zwei Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Bürgern der Europäischen Union sind, die Erteilung eines Sichtvermerks und die Einreise in das spanische Staatsgebiet allein deswegen verweigert hat, weil sie (auf Ersuchen eines Mitgliedstaats) im Schengener Informationssystem (SIS) auf der Liste von nicht zuzulassenden Personen standen, und dass es die Verweigerung des Sichtvermerks und der Einreise nicht ausreichend begründet hat.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 64/221
2 Artikel 1 der Richtlinie 64/221 bestimmt:
„(1) Diese Richtlinie gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dorthin begeben, um eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder um Dienstleistungen entgegenzunehmen.
(2) Diese Bestimmungen gelten auch für den Ehegatten und die Familienmitglieder, welche die Bedingungen der auf Grund des Vertrages auf diesem Gebiet erlassenen Verordnungen und Richtlinien erfüllen.”
3 Artikel 2 der Richtlinie lautet:
„(1) Diese Richtlinie betrifft die Vorschriften für die Einreise, die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet, welche die Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erlassen.
(2) Diese Gründe dürfen nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden.”
4 Artikel 3 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit darf ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend sein.
(2) Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne weiteres diese Maßnahmen nicht begründen.
…”
5 Artikel 6 der Richtlinie lautet:
„Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, bekanntzugeben, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit des Staates dieser Bekanntgabe entgegenstehen.”
Schengen-Besitzstand
Die Schengener Übereinkommen
6 Die R...