Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Kartelle. Europäischer Markt für Paraffinwachse und deutscher Markt für Paraffingatsch. Festsetzung der Preise und Aufteilung der Märkte. Nachweis der Zuwiderhandlung. Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Verfälschung von Beweisen. Begründungspflicht. Berechnung der Geldbuße. Legalitätsgrundsatz. Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Art. 23 Abs. 2
Beteiligte
Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb / Kommission |
H & R Wax Company Vertrieb GmbH |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Hansen & Rosenthal KG und die H&R Wax Company Vertrieb GmbH tragen die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. Februar 2015,
Hansen & Rosenthal KG mit Sitz in Hamburg (Deutschland),
H & R Wax Company Vertrieb GmbH mit Sitz in Hamburg,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Schulte, M. Dallmann und K. Künstner,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch R. Sauer, C. Vollrath und L. Wildpanner als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehren die Hansen & Rosenthal KG und die H&R Wax Company Vertrieb GmbH die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Dezember 2014, Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb/Kommission (T-544/08, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2014:1075), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) (im Folgenden: streitige Entscheidung) und, hilfsweise, auf Aufhebung oder Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Art. 23 „Geldbußen”) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sieht in seinen Abs. 2 und 3 vor:
„(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
a) gegen Artikel 81 oder Artikel 82 [EG] verstoßen …
…
Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.
…
(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.”
Rz. 3
Art. 31 „Nachprüfung durch den Gerichtshof”) der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt:
„Bei Klagen gegen Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat, hat der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung. Er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen.”
Rz. 4
In den Ziff. 21 und 25 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) heißt es:
„21. Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.
…
25. Zusätzlich, unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung, fügt die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes … hinzu, um die Unternehmen von vornherein an der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen abzuschrecken …”
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 5
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt ist in den Rn. 1 bis 13 des angefochtenen Urteils wie folgt dargestellt worden:
„1. Verwaltungsverfahren und Erlass der [streitigen] Entscheidung
1 Mit der [streitigen] Entscheidung … stellte die Kommission … fest, dass die [Rechtsmittelführerinnen] mit anderen Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich an einem Kartell auf dem Markt für Paraffinwachse im EWR und auf dem deutschen Markt für Paraffingatsch beteiligt hätten.
2 Die [streitige] Entscheidung ist an folgende Gesellschaften gerichtet:...