Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges Eigentum. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken. Ausnahmen und Beschränkungen. Verbreitung von Fernsehsendungen über ein lokales Kabelnetz. Nationale Regelung, die Ausnahmen für Anlagen mit bis zu 500 angeschlossenen Teilnehmern und für die Übermittlung von Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Inland vorsieht
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Buchst. o
Beteiligte
Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger registrierte Genossenschaft mbH (AKM) |
Tenor
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und Art. 11(bis) der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886 (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der eine gleichzeitige, vollständige und unveränderte Übermittlung von Rundfunksendungen der nationalen Rundfunkanstalt mit Hilfe von Leitungen im Inland nicht aufgrund des ausschließlichen Rechts der öffentlichen Wiedergabe der Erlaubnis des Urhebers bedarf, nicht entgegenstehen, sofern diese Übermittlung eine bloße technische Wiedergabemodalität darstellt und vom Urheber des Werks bei Erteilung der Erlaubnis zu dessen ursprünglicher Wiedergabe berücksichtigt wurde, was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist.
Art. 5 der Richtlinie 2001/29, namentlich sein Abs. 3 Buchst. o, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der eine Rundfunksendung über eine Gemeinschaftsantennenanlage, an die nicht mehr als 500 Teilnehmer angeschlossen sind, nicht aufgrund des ausschließlichen Rechts der öffentlichen Wiedergabe der Erlaubnis des Urhebers bedarf, entgegensteht und dass die betreffende Regelung daher im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie zur Anwendung kommen muss, was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Handelsgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 16. Februar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 7. März 2016, in dem Verfahren
Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger registrierte Genossenschaft mbH (AKM)
gegen
Zürs.net Betriebs GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter) und M. Safjan,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Staatlich genehmigten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger registrierte Genossenschaft mbH (AKM), vertreten durch Rechtsanwalt M. Walter,
- der Zürs.net Betriebs GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Ciresa,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Scharf und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10) sowie von Art. 11(bis) Abs. 1 Nr. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886 (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Staatlich genehmigten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger registrierte Genossenschaft mbH (AKM) und der Zürs.net Betriebs GmbH (im Folgenden: Zürs.net), in dem AKM von Zürs.net Auskunft über die Zahl der Teilnehmer, die an das von Zürs.net betriebene Kabelnetz angeschlossen sind, und gegebenenfalls Zahlung eines Entgelts für die Zugänglichmachung von durch Urheberrechte und verwandte Schutzrechte geschützten Werken zuzüglich Verzugszinsen begehrt.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
WIPO-Urheberrechtsvertrag
Rz. 3
Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nahm am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Urheberrechtsvertrag an, der am 6. März 2002 in Kraft trat. Dieser Vertrag wurde durch den Beschluss 2000/278/EG des Rate...