Entscheidungsstichwort (Thema)

Geistiges, gewerbliches und kommerzielles Eigentum. Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges Eigentum. Sortenschutz. Verletzung. Schadensersatzanspruch. Ersatz des Schadens. Auf der Grundlage der vierfachen Lizenzgebühr berechneter Mindestpauschalbetrag. Befugnis der Europäischen Kommission. Ungültigkeit

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 2100/94 Art. 14 Abs. 3, Art. 94 Abs. 2; EGV 1768/95 (NachbauVO) Art. 18 Abs. 2

 

Beteiligte

Saatgut-Treuhandverwaltung (KWS Meridian)

MS

Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH

 

Tenor

Art. 18 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 geänderten Fassung ist ungültig.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-522/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken (Deutschland) mit Beschluss vom 18. August 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 24. August 2021, in dem Verfahren

MS

gegen

Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.-C. Bonichot und S. Rodin sowie der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: S. Beer, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        von MS, vertreten durch Rechtsanwalt N. Küster,
  • –        der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin E. Trauernicht und Rechtsanwalt K. von Gierke,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. C. Becker, B. Eggers und G. Koleva als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Oktober 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. 1995, L 173, S. 14) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 (ABl. 1998, L 328, S. 6) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1768/95) im Hinblick auf Art. 94 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. 1994, L 227, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MS und der Saatgut Treuhandverwaltungs GmbH (im Folgenden: STV) über die Berechnung der Höhe des Ersatzes für den STV durch den unberechtigten Nachbau der Wintergerstensorte KWS Meridian durch MS entstandenen Schaden.

Rechtlicher Rahmen

VerordnungNr.2100/94

Rz. 3

Art. 11 („Recht auf den gemeinschaftlichen Sortenschutz“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 sieht vor:

„Das Recht auf den gemeinschaftlichen Sortenschutz steht der Person zu, die die Sorte hervorgebracht oder entdeckt und entwickelt hat bzw. ihrem Rechtsnachfolger; diese Person und ihr Rechtsnachfolger werden im folgenden ‚Züchter‘ genannt.“

Rz. 4

Art. 13 („Rechte des Inhabers des gemeinschaftlichen Sortenschutzes und verbotene Handlungen“) der Verordnung Nr. 2100/94 bestimmt in den Abs. 1 bis 3:

„(1)      Der gemeinschaftliche Sortenschutz hat die Wirkung, dass allein der oder die Inhaber des gemeinschaftlichen Sortenschutzes, im folgenden ‚Inhaber‘ genannt, befugt sind, die in Absatz 2 genannten Handlungen vorzunehmen.

(2)      Unbeschadet der Artikel 15 und 16 bedürfen die nachstehend aufgeführten Handlungen in Bezug auf Sortenbestandteile oder Erntegut der geschützten Sorte – beides im folgenden ‚Material‘ genannt – der Zustimmung des Inhabers:

a)      Erzeugung oder Fortpflanzung (Vermehrung),

Der Inhaber kann seine Zustimmung von Bedingungen und Einschränkungen abhängig machen.

(3)      Auf Erntegut findet Absatz 2 nur Anwendung, wenn es dadurch gewonnen wurde, dass Sortenbestandteile der geschützten Sorte ohne Zustimmung verwendet wurden, und wenn der Inhaber nicht hinreichend Gelegenheit hatte, sein Recht im Zusammenhang mit den genannten Sortenbestandteilen geltend zu machen.“

Rz. 5

In Art. 14 („Abweichung vom gemeinschaftlichen Sortenschutz“) dieser Verordnung heißt es:

„(1)      Unbeschadet des Artikels 13 Absatz 2 können Landwirte zur Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung zu Vemehrungszwecken im Feldanbau in ihrem eigenen Betrieb das Ernteerzeugnis verwenden, das sie in ihrem eigenen Betrieb durch Anbau von Vermehrungsgut einer unter den gemeinschaftlichen Sortenschutz fallenden Sorte gewonnen haben, wobei es sich nicht um eine Hybride oder eine synthetische Sorte handeln darf.

(2)      Absatz 1 gilt nur für folgende landwirtschaftliche Pflanzenarten:

b)      Getreide:

Hordeum vulgare L. – Gerste

(3)      Die Bedingungen für...

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