Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Ort der Dienstleistung. Technische Unterstützungsleistungen, die an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft erbracht werden. Rechtsmissbrauch. Tatsachenwürdigung. Unzuständigkeit
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 2, 24, 43
Beteiligte
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága |
Verfahrensgang
Fővárosi Törvényszék (Ungarn) (Beschluss vom 28.09.2020; ABl. EU 2021, Nr. C 35/34) |
Tenor
Der Gerichtshof der Europäischen Union ist für die Beantwortung der Vorlagefragen, die der Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtischer Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 28. September 2020 gestellt hat, nicht zuständig.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtischer Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 28. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 12. November 2020, in dem Verfahren
DuoDecad Kft.
gegen
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič und D. Gratsias,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der DuoDecad Kft., vertreten durch Z. Várszegi, Ügyvéd,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und G. Koós als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, zunächst vertreten durch L. Inez Fernandes, R. Campos Laires und P. Barros da Costa, dann durch R. Campos Laires und P. Barros da Costa als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Uher und A. Tokár als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. Februar 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 und Art. 43 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der DuoDecad Kft. und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága (Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn) (im Folgenden: Rechtsbehelfsdirektion) über die Zahlung der Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen, die DuoDecad in den Jahren 2009 und 2011 erbrachte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 unterliegen Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer.
Rz. 4
Art. 24 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Als ‚Dienstleistung’ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.
(2) Als ‚Telekommunikationsdienstleistung’ gelten Dienstleistungen zum Zweck der Übertragung, Ausstrahlung oder des Empfangs von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder andere elektromagnetische Medien, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Abtretung oder Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, Ausstrahlung oder zum Empfang, einschließlich der Bereitstellung des Zugangs zu globalen Informationsnetzen.”
Rz. 5
Art. 43 der Richtlinie 2006/112 in ihrer vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung lautete:
„Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort.”
Rz. 6
Die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112 (ABl. 2008, L 44, S. 11) hat die Art. 43 bis 59 der Richtlinie 2006/112 mit Wirkung vom 1. Januar 2010 ersetzt. Art. 44 der Richtlinie 2006/112 in der Fassung der Richtlinie 2008/8 lautet:
„Als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, gilt der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers.”
Rz. 7
Art. 45 dieser Fassung der Richtlinie 2006/112 bestimmt:
„Als Ort einer Dienstleistung an einen Nichtsteuerpflichtigen gilt der Ort, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstle...