Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerb. Unternehmen, das Inhaber eines standardessenziellen Patents ist und sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation verpflichtet hat, jedem Dritten zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen (sogenannte FRAND-Bedingungen, ‚fair, reasonable and non-discriminatory’) eine Lizenz für dieses Patent zu erteilen. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Patentverletzungsklagen. Unterlassungsklage. Klage auf Rückruf. Klage auf Rechnungslegung. Schadensersatzklage. Verpflichtungen des Inhabers eines standardessenziellen Patents
Normenkette
Art. 102 AEUV
Beteiligte
Huawei Technologies Co. Ltd |
Tenor
1. Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass der Inhaber eines für einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard essenziellen Patents, der sich gegenüber dieser Organisation unwiderruflich verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen (sogenannte FRAND-Bedingungen) (fair, reasonable and non-discriminatory) zu erteilen, seine marktbeherrschende Stellung nicht im Sinne dieser Vorschrift dadurch missbraucht, dass er eine Patentverletzungsklage auf Unterlassung der Beeinträchtigung seines Patents oder auf Rückruf der Produkte, für deren Herstellung dieses Patent benutzt wurde, erhebt, wenn
- er zum einen den angeblichen Verletzer vor Erhebung der Klage auf die Patentverletzung, die ihm vorgeworfen wird, hingewiesen hat und dabei das betreffende Patent bezeichnet und angegeben hat, auf welche Weise es verletzt worden sein soll, und zum anderen, nachdem der angebliche Patentverletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, dem Patentverletzer ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu diesen Bedingungen unterbreitet und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung angegeben hat und
- dieser Patentverletzer, während er das betreffende Patent weiter benutzt, auf dieses Angebot nicht mit Sorgfalt, gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, reagiert, was auf der Grundlage objektiver Gesichtspunkte zu bestimmen ist und u. a. impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird.
2. Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass er es einem Unternehmen in beherrschender Stellung, das Inhaber eines für einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard essenziellen Patents ist und sich gegenüber der Standardisierungsorganisation verpflichtet hat, zu FRAND-Bedingungen Lizenzen für dieses Patent zu erteilen, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht verbietet, gegen den angeblichen Verletzer seines Patents eine Verletzungsklage auf Rechnungslegung bezüglich der vergangenen Benutzungshandlungen in Bezug auf das Patent oder auf Schadensersatz wegen dieser Handlungen zu erheben.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. März 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 5. April 2013, in dem Verfahren
Huawei Technologies Co. Ltd
gegen
ZTE Corp.,
ZTE Deutschland GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas, E. Juhász und D. Šváby (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Huawei Technologies Co. Ltd, vertreten durch Rechtsanwälte C. Harmsen, S. Barthelmess und J. Witting, D. Geradin, avocat, und M. Dolmans, advocaat,
- der ZTE Corp. und der ZTE Deutschland GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Fähndrich,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman, C. Schillemans und B. Koopman als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und S. Oliveira Pais als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. W. Bulst, A. Dawes und F. Ronkes Agerbeek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. November 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 102 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Huawei Technologies Co. Ltd (im Folgenden: Huawei Technologies) auf der einen Seite und der ZTE Corp. und der ZTE Deutschland GmbH (im Folgenden: ZTE) auf der anderen Seite wegen der behaupteten Verletzung eines Patents, das für einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard essenziell ist (standardessenzielles Patent, im Folgenden: SEP).
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
Rz. 3
Gemäß Art. 1 des am 5. Oktober 1973 in München unterzeichnet...