Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel. Zugang zu Dokumenten der Organe der Europäischen Union. Umweltinformationen. Ausnahme vom Recht auf Zugang. Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten. Von einem Unternehmen im Auftrag der Europäischen Kommission über die Umsetzung von Umweltrichtlinien durchgeführte Studien. Teilweise Verweigerung des Zugangs

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 Art. 4 Abs. 2; Übereinkommen von Århus Art. 4 Abs. 1, 4

 

Beteiligte

ClientEarth / Kommission

Europäische Kommission

ClientEarth

 

Tenor

1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union ClientEarth/Kommission (T-111/11, EU:T:2013:482) wird insoweit aufgehoben, als das Gericht der Europäischen Union darin festgestellt hat, dass die Europäische Kommission ClientEarth mit ihrem Beschluss vom 30. Mai 2011 aufgrund einer allgemeinen Vermutung den vollständigen Zugang zu denjenigen Studien über die Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften verschiedener Mitgliedstaaten mit dem Umweltrecht der Union habe verweigern dürfen, aufgrund deren zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Beschlusses von ihr kein Aufforderungsschreiben gemäß Art. 258 Abs. 1 AEUV an den betreffenden Mitgliedstaat gesandt worden war und die daher nicht in eine Akte zur vorprozessualen Phase eines Vertragsverletzungsverfahrens aufgenommen waren.

2. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

3. Der Beschluss der Kommission vom 30. Mai 2011 wird insoweit für nichtig erklärt, als die Europäische Kommission ClientEarth damit den vollständigen Zugang zu den in Nr. 1 des Tenors des vorliegenden Urteils bezeichneten Studien verweigert hat.

4. ClientEarth und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens.

5. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. November 2013,

ClientEarth mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigter: P. Kirch, avocat,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch L. Pignataro-Nolin, P. Costa de Oliveira und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

unterstützt durch:

Europäisches Parlament, vertreten durch J. Rodrigues und L. Visaggio als Bevollmächtigte,

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Moore, M. Simm und A. Jensen als Bevollmächtigte,

Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts (Berichterstatter) sowie der Richter J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und J. L. da Cruz Vilaça,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2015,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. April 2015

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt ClientEarth die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union ClientEarth/Kommission (T-111/11, EU:T:2013:482, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung zunächst des Beschlusses, mit dem die Europäische Kommission ihr den Zugang zu bestimmten Dokumenten über die Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften verschiedener Mitgliedstaaten mit dem Umweltrecht der Europäischen Union stillschweigend verweigert habe, dann des späteren ausdrücklichen Beschlusses vom 30. Mai 2011, mit dem ihr der Zugang zu diesen Dokumenten teilweise verweigert wurde, abgewiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Rz. 2

Art. 2 des am 25. Juni 1998 in Århus unterzeichneten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. L 124, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde (im Folgenden: Übereinkommen von Århus), bestimmt:

„Im Sinne dieses Übereinkommens

2. bedeutet ‚Behörde’

d) die Einrichtungen aller in Artikel 17 näher bestimmten Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind.

…”

Rz. 3

Weiter heißt es dort in Art. 4 Abs. 1 und 4:

„(1) Jede Vertragspartei stellt sicher, dass die Behörden nach Maßgabe der folgenden Absätze dieses Artikels und im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Öffentlichkeit Informationen über die Umwelt auf Antrag zur Verfügung stellen; hierzu gehören, wenn dies beantragt wird und nach Maßgabe des Buchstaben b, auch Kopien der eigentlichen Unterlagen, die derartige Informationen enthalten oder die aus diesen Informationen bestehen; dies geschieht

  1. ohne Nachweis eines Interesses;
  2. in der erwünschten Form, es sei denn,

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