Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Kartelle. Europäischer Markt für Erd- und Unterwasserstromkabel. Aufteilung des Marktes im Rahmen von Projekten. Nachprüfungsbefugnisse der Europäischen Kommission in Kartellverfahren. Befugnis, Daten ohne vorherige Prüfung zu kopieren und sie anschließend in den Räumlichkeiten der Kommission zu prüfen. Geldbußen. Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung
Normenkette
EGV 1/2003 Art. 20
Beteiligte
Nexans France und Nexans/ Kommission |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Nexans France SAS und die Nexans SA tragen die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. September 2018,
Nexans France SAS mit Sitz in Courbevoie (Frankreich),
Nexans SA mit Sitz in Courbevoie,
Prozessbevollmächtigte: G. Forwood, avocate, sowie M. Powell und A. Rogers, Solicitors,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Partei des Verfahrens:
EuropäischeKommission, vertreten durch C. Giolito, P. Rossi, C. Sjödin und F. Castilla Contreras als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter P. G. Xuereb (Berichterstatter), T. von Danwitz und A. Kumin,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2019,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. März 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Nexans France SAS und die Nexans SA die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Juli 2018, Nexans France und Nexans/Kommission (T-449/14, EU:T:2018:456) (im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 2139 final der Kommission vom 2. April 2014 in einem Verfahren nach Art. 101 [AEUV] sowie nach Art. 53 EWR-Abkommen (Sache AT.39610 – Stromkabel) (im Folgenden: streitiger Beschluss), soweit er sie betrifft, und auf Herabsetzung der in dem streitigen Beschluss gegen sie verhängten Geldbußen abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EG) Nr. 1/2003
Rz. 2
In Art. 20 („Nachprüfungsbefugnisse der Kommission”) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) heißt es:
„(1) Die Kommission kann zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben bei Unternehmen und Unternehmensvereinigungen alle erforderlichen Nachprüfungen vornehmen.
(2) Die mit den Nachprüfungen beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen sind befugt,
- alle Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen zu betreten;
- die Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen, unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen, zu prüfen;
- Kopien oder Auszüge gleich welcher Art aus diesen Büchern und Unterlagen anzufertigen oder zu erlangen;
- betriebliche Räumlichkeiten und Bücher oder Unterlagen jeder Art für die Dauer und in dem Ausmaß zu versiegeln, wie es für die Nachprüfung erforderlich ist;
- von allen Vertretern oder Mitgliedern der Belegschaft des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung Erläuterungen zu Tatsachen oder Unterlagen zu verlangen, die mit Gegenstand und Zweck der Nachprüfung in Zusammenhang stehen, und ihre Antworten zu Protokoll zu nehmen.
…
(4) Die Unternehmen und Unternehmensvereinigungen sind verpflichtet, die Nachprüfungen zu dulden, die die Kommission durch Entscheidung angeordnet hat. Die Entscheidung bezeichnet den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung, bestimmt den Zeitpunkt des Beginns der Nachprüfung und weist auf die in Artikel 23 und Artikel 24 vorgesehenen Sanktionen sowie auf das Recht hin, vor dem Gerichtshof Klage gegen die Entscheidung zu erheben. Die Kommission erlässt diese Entscheidungen nach Anhörung der Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll.
…”
Rz. 3
Art. 21 („Nachprüfungen in anderen Räumlichkeiten”) bestimmt:
„(1) Besteht ein begründeter Verdacht, dass Bücher oder sonstige Geschäftsunterlagen, die sich auf den Gegenstand der Nachprüfung beziehen und die als Beweismittel für einen schweren Verstoß gegen Artikel [101 oder 102 AEUV] von Bedeutung sein könnten, in anderen Räumlichkeiten, auf anderen Grundstücken oder in anderen Transportmitteln – darunter auch die Wohnungen von Unternehmensleitern und Mitgliedern der Aufsichts- und Leitungsorgane sowie sonstigen Mitarbeitern der betreffenden Unternehmen und Unternehmensvereinigungen – aufbewahrt werden, so kann die Kommission durch Entscheidung eine Nachpr...