Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Freier Warenverkehr. Regelung eines Mitgliedstaats, nach der bestimmte Bauprodukte, die mit der Konformitätskennzeichnung ‚CE’. versehen sind, zusätzlichen nationalen Normen entsprechen müssen – Bauregellisten
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung verstoßen, dass sie durch die Bauregellisten, auf die die Bauordnungen der Bundesländer verweisen, zusätzliche Anforderungen für den wirksamen Marktzugang und die Verwendung von Bauprodukten in Deutschland gestellt hat, die von den harmonisierten Normen EN 681-2:2000 („Elastomer-Dichtungen – Werkstoff-Anforderungen für Rohrleitungs-Dichtungen für Anwendungen in der Wasserversorgung und Entwässerung – Teil 2: Thermoplastische Elastomere”), EN 13162:2008 („Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Mineralwolle [MW] – Spezifikation”) und EN 13241-1 („Tore – Produktnorm – Teil 1: Produkte ohne Feuer- und Rauchschutzeigenschaften”) erfasst wurden und mit der CE-Kennzeichnung versehen waren.
2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 27. Februar 2013,
Europäische Kommission, vertreten durch G. Wilms und G. Zavvos als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Vajda sowie der Richter E. Juhász und D. Šváby (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2014,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (ABl. 1989, L 40, S. 12) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl. L 284, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/106), insbesondere aus deren Art. 4 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1, verstoßen hat, dass die deutschen Behörden die Bauregellisten dazu verwenden, zusätzliche Zulassungen für den wirksamen Marktzugang und die Verwendung von Bauprodukten zu verlangen, statt die erforderlichen Bewertungsmethoden und -kriterien im Rahmen der europäischen harmonisierten Normen aufzunehmen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 2
Die Erwägungsgründe 1, 11 und 12 der Richtlinie 89/106 lauteten:
„Es obliegt den Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass auf ihrem Gebiet die Bauwerke des Hoch- und des Tiefbaus derart entworfen und ausgeführt werden, dass die Sicherheit der Menschen, der Haustiere und der Güter nicht gefährdet und andere wesentliche Anforderungen im Interesse des Allgemeinwohls beachtet werden.
…
Von der Brauchbarkeit eines Produktes ist auszugehen, wenn es mit einer harmonisierten Norm, mit einer europäischen technischen Zulassung oder einer auf Gemeinschaftsebene anerkannten nicht harmonisierten technischen Spezifikation übereinstimmt. Daneben kann in dem Fall, dass Produkte eine geringe Bedeutung im Hinblick auf die wesentlichen Anforderungen haben und von bestehenden technischen Spezifikationen abweichen, der Nachweis der Brauchbarkeit über eine Bescheinigung einer anerkannten Stelle geführt werden.
Produkte, die in diesem Sinne brauchbar sind, sind unmittelbar durch das EG-Zeichen erkenntlich. Sie können im gesamten Gebiet der Gemeinschaft frei verkehren und für den vorgesehenen Zweck frei verwendet werden.”
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/106 bestimmte:
„Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, damit die Produkte gemäß Artikel 1, die zur Verwendung in Bauwerken bestimmt sind, nur in Verkehr gebracht werden können, wenn sie brauchbar sind, d. h. solche Merkmale aufweisen, dass das Bauwerk, für das sie durch Einbau, Zusammenfügung, Anbringung oder Installierung verwendet werden sollen, bei ordnungsgemäßer Planung und Bauausführung die wesentlichen Anforderungen nach Artikel 3 erfüllen kann, wenn und wo für bestimmte Bauwerke Regelungen gelten, die entsprechende Anforderungen enthalten.”
Rz. 4
Art. 3 Abs. 1 der Ric...