Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Ausschließliche Zuständigkeiten. Rechtsstreitigkeiten über die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen. Zwischen einer Privatperson und einem Tourismusunternehmen, das einen Ferienpark betreibt, geschlossener Vertrag über die kurzzeitige Gebrauchsüberlassung eines Bungalows in diesem Ferienpark

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 24 Nr. 1 Abs. 1

 

Beteiligte

Roompot Service

EM

Roompot Service BV

 

Tenor

Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

ist dahin auszulegen, dass

ein Vertrag zwischen einer Privatperson und einem Tourismusunternehmen, mit dem das Unternehmen eine in einem von ihm betriebenen Ferienpark gelegene Ferienwohnung zum kurzzeitigen persönlichen Gebrauch zur Verfügung stellt und der über die Gebrauchsüberlassung dieser Wohnung hinaus die Erbringung einer Gesamtheit von Dienstleistungen gegen einen Gesamtpreis umfasst, nicht unter die Wendung „Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-497/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. Juli 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2022, in dem Verfahren

EM

gegen

Roompot Service BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin), der Richter J.-C. Bonichot und S. Rodin sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        von EM, vertreten durch Rechtsanwalt V. Gensch,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Kienapfel und S. Noë als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Juni 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen EM, die ihren Wohnsitz in Deutschland hat, und der Roompot Service BV, einem Tourismusunternehmen mit Sitz in den Niederlanden, über die Rückzahlung des von dieser Privatperson für die kurzzeitige Gebrauchsüberlassung eines Bungalows in einem von dem genannten Unternehmen betriebenen Ferienpark gezahlten Preises zuzüglich Zinsen und Kosten.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 15, 16 und 34 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(15)      Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …

(16)      Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. …

(34)      Um die Kontinuität zwischen dem [am 27. September 1968 in Brüssel unterzeichneten] Übereinkommen [über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32)], der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1)] und dieser Verordnung zu wahren, sollten Übergangsvorschriften vorgesehen werden. Dies gilt auch für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und der es ersetzenden Verordnungen durch den Gerichtshof der Europäischen Union.“

Rz. 4

Art. 4 Abs. 1 in Kapitel II Abschnitt 1 („Allgemeine Bestimmungen“) der Verordnung Nr. 1215/2012 lautet:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

Rz. 5

In Abschnitt 6 („Ausschließliche Zuständigkeiten“) des Kapitels II der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt ihr Art. 24:

„Ohne Rücksich...

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