Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen. Versetzung eines Notars auf eine andere Notarstelle. Feststellung der Nichtigkeit oder Missbräuchlichkeit der Kündigung von Beschäftigten. Bestimmung der Dauer der Betriebszugehörigkeit für die Berechnung der Entschädigung. Anwendbarkeit der Richtlinie. Voraussetzungen
Normenkette
Richtlinie 2001/23/EG Art. 1 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass diese Richtlinie auf einen Fall, in dem ein Notar, der Beamter und privater Arbeitgeber der im Notariat beschäftigten Arbeitnehmer ist, den früheren Inhaber einer Notarstelle in seinem Amt ablöst, die Urkundenrolle sowie einen wesentlichen Teil des bei seinem Vorgänger beschäftigten Personals übernimmt und dieselbe Tätigkeit in denselben Räumlichkeiten und mit derselben Ausstattung ausübt, anwendbar ist, sofern die Identität dieses Notariats gewahrt bleibt, wobei es Sache des vorlegenden Gerichts ist, dies unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände festzustellen.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Social no 1 de Madrid (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 1 Madrid, Spanien) mit Entscheidungen vom 30. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 20. September 2021, in den Verfahren
NC (C-583/21),
JD (C-584/21),
TA (C-585/21),
FZ (C-586/21)
gegen
BA,
DA,
DV,
CG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin O. Spineanu-Matei, der Richter J.-C. Bonichot und S. Rodin (Berichterstatter) sowie der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2022,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von DA, CG, DV und BA, vertreten durch C. Martínez Cebrián, Abogado,
- von NC, JD, TA und FZ, vertreten durch F. Mancera Martínez und S. L. Moya Mata, Abogados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis und J. Rodríguez de la Rúa Puig als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und S. Pardo Quintillán als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Mai 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S. 16).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen NC, JD, TA und FZ (im Folgenden zusammen: NC u. a.) auf der einen Seite und den Notaren BA, DA, DV und CG auf der anderen Seite wegen der Feststellung der Nichtigkeit oder Missbräuchlichkeit der Kündigung von Arbeitnehmern, die nacheinander von diesen Notaren eingestellt worden waren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2001/23
Rz. 3
Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/23 lautet:
„Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten.”
Rz. 4
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 sieht vor:
- „Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.
- Vorbehaltlich Buchstabe a) und der nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit.
- Diese Richtlinie gilt für öffentliche und private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht. Bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere handelt es sich nicht um einen Übergang im Sinne dieser Richtlinie.”
Rz. 5
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie lautet:
„Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.
Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Veräußerer und der E...