Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen. Geltungsbereich. Begriff ‚Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag’. Zahlungsauftrag, den ein Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos einem Kreditinstitut erteilt hat, das anschließend für zahlungsunfähig erklärt worden ist
Normenkette
Richtlinie 98/26/EG
Beteiligte
Tenor
Ein Zahlungsauftrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, den ein Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos einem Kreditinstitut zur Überweisung von Geldern an ein anderes Kreditinstitut erteilt hat, fällt nicht unter den Begriff „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag” im Sinne der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen in der durch die Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 geänderten Fassung und somit auch nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Augstākā tiesa (Oberster Gerichtshof, Lettland) mit Entscheidung vom 8. November 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 15. November 2017, in dem Verfahren
SIA „KPMG Baltics” als Insolvenzverwalterin der AS „Latvijas Krājbanka”
gegen
SIA „Ķipars AI”
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der SIA „KPMG Baltics” als Insolvenzverwalterin der AS „Latvijas Krājbanka”, Prozessbevollmächtigter: J. Ozoliņš,
- der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kucina und E. Petrocka-Petrovska als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und O. Serdula als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Rocchitta, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und I. Rubene als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (ABl. 1998, L 166, S. 45) in der durch die Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 (ABl. 2009, L 146, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/26).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SIA „KPMG Baltics” als Insolvenzverwalterin der AS „Latvijas Krājbanka” und der SIA „Ķipars AI” wegen der Ausführung eines von Letzterer der Latvijas Krājbanka erteilten Zahlungsauftrags.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 1 bis 4 der Richtlinie 98/26 heißt es:
„(1) Im Lamfalussy-Bericht von 1990 an die G10-Zentralbankpräsidenten wurde das nicht zu unterschätzende Systemrisiko in Zahlungssystemen aufgezeigt, die auf der Grundlage verschiedener – insbesondere multilateraler – Formen der Aufrechnung (netting) von Zahlungsaufträgen arbeiten. Die Verringerung der rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit der Teilnahme an Systemen, die auf der Basis der Bruttoabwicklung in Echtzeit (‚Real Time Gross Settlement’) arbeiten, ist eine vorrangige Aufgabe, da diese Systeme immer mehr an Bedeutung gewinnen.
(2) Es ist ferner überaus wichtig, das mit der Teilnahme an Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen verbundene Risiko zu vermindern, insbesondere wenn enge Beziehungen zwischen derartigen Systemen und Zahlungssystemen bestehen.
(3) Diese Richtlinie soll zur effizienten und kostengünstigen Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungsvereinbarungen in der Europäischen Gemeinschaft beitragen, was die Freiheit des Kapitalverkehrs im Binnenmarkt stärkt. …
(4) Es ist wünschenswert, dass die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten darauf gerichtet sind, die Beeinträchtigung eines Systems im Fall von Insolvenzverfahren gegen einen Teilnehmer des betreffenden Systems so gering wie möglich zu halten.”
Rz. 4
Art. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Diese Richtlinie gilt
- für Systeme im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a), die dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegen und in einer beliebigen Währung, in Euro oder in verschiedenen Währungen, die das System gegenseitig konvertiert, arbeiten;
- für Teilnehmer eines solchen Systems;
für dingliche Sicherheiten im Zusammenhang mit