Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Haftung des Luftfrachtführers im Fall einer Verspätung bei der internationalen Beförderung von Reisenden. Beförderungsvertrag, der vom Arbeitgeber der Reisenden geschlossen wurde. Schaden, der durch Verspätung entsteht. Vom Arbeitgeber erlittener Schaden”

 

Normenkette

Übereinkommen von Montreal Art. 19, 22, 29

 

Beteiligte

Air Baltic Corporation

Air Baltic Corporation AS

Lietuvos Respublikos specialiųjų tyrimų tarnyba

 

Tenor

Das Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999, das mit dem Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde, insbesondere seine Art. 19, 22 und 29, ist dahin auszulegen, dass ein Luftfrachtführer, der einen Vertrag über die internationale Beförderung mit einem Arbeitgeber von als Reisenden beförderten Personen wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden geschlossen hat, gegenüber diesem Arbeitgeber für den Schaden haftet, der durch die Verspätung von Flügen entstanden ist, die dessen Arbeitnehmer gemäß diesem Vertrag in Anspruch genommen haben, und wodurch dem Arbeitgeber zusätzliche Kosten entstanden sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof Litauens, Litauen) mit Entscheidung vom 16. September 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 18. September 2014, in dem Verfahren

Air Baltic Corporation AS

gegen

Lietuvos Respublikos specialiųjų tyrimų tarnyba

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter D. Šváby, J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan und M. Vilaras,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Air Baltic Corporation AS, vertreten durch I. Jansons, Rechtsberater, M. Freimane, Jurist, und E. Matulionytė, avokatė,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas und A. Svinkūnaitė als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und M.-L. Kitamura als Bevollmächtigte,
  • der lettischen Regierung, vertreten durch L. Skolmeistare und I. Kalniņš als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Steiblytė, N. Yerrell und J. Jokubauskaite als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 19, 22 und 29 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossen und im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 genehmigt wurde (ABl. L 194, S. 38, im Folgenden: Übereinkommen von Montreal).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Air Baltic Corporation AS (im Folgenden: Air Baltic) und dem Lietuvos Respublikos specialiųjų tyrimų tarnyba (Sonderermittlungsdienst der Republik Litauen, im Folgenden: Sonderermittlungsdienst) wegen des Ersatzes des Schadens, der Letzterem durch die Verspätung von Flügen entstanden ist, auf denen zwei seiner Arbeitnehmer auf Grundlage eines mit Air Baltic geschlossenen Vertrags über die internationale Beförderung von Reisenden befördert wurden.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Nach dem dritten Absatz der Präambel des Übereinkommens von Montreal erkennen dessen Vertragsstaaten die „Bedeutung des Schutzes der Verbraucherinteressen bei der Beförderung im internationalen Luftverkehr und eines angemessenen Schadensersatzes nach dem Grundsatz des vollen Ausgleichs” an. Im fünften Absatz der Präambel heißt es ferner, dass die Vertragsstaaten „[überzeugt sind], dass gemeinsames Handeln der Staaten zur weiteren Harmonisierung und Kodifizierung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr durch ein neues Übereinkommen das beste Mittel ist, um einen gerechten Interessenausgleich zu erreichen”.

Rz. 4

Kapitel I („Allgemeine Bestimmungen”) dieses Übereinkommens enthält Art. 1 („Anwendungsbereich”), der insbesondere Folgendes vorsieht:

„(1) Dieses Übereinkommen gilt für jede internationale Beförderung von Personen, Reisegepäck oder Gütern, die durch Luftfahrzeuge gegen Entgelt erfolgt. Es gilt auch für unentgeltliche Beförderungen durch Luftfahrzeuge, wenn sie von einem Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden.

(2) Als ‚internationale Beförderung’ im Sinne dieses Übereinkommens ist jede Beförderung anzusehen, bei der nach den Vereinbarungen der Parteien der Abgangsort und der Bestimmungsort, gleichviel ob eine Un...

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