Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Dienstleistungsaufträge. Richtlinie 2004/18/EG. Art. 47 Abs. 2. Unmittelbare Wirkung. Anwendbarkeit auf in Anhang II Teil B der Richtlinie aufgeführte Dienstleistungen
Beteiligte
Securitas-Serviços e Tecnologia de Segurança |
Tenor
Die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, Art. 47 Abs. 2 dieser Richtlinie auch auf Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B dieser Richtlinie anzuwenden. Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten und unter Umständen die öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht daran, in ihren Rechtsvorschriften bzw. in den Auftragsunterlagen eine solche Anwendung vorzusehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) mit Entscheidung vom 20. Januar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Februar 2010, in dem Verfahren
Strong Segurança SA
gegen
Município de Sintra,
Securitas-Serviços e Tecnologia de Segurança
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Strong Segurança SA, vertreten durch C. Varela Pinto und M. J. Oliveira e Carmo, advogadas,
- des Município de Sintra, vertreten durch N. Cárcomo Lobo und M. Vaz Loureiro, advogados,
- der Securitas-Serviços e Tecnologia de Segurança, vertreten durch A. Calapez, advogada,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Aiello, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Kukovec und G. Braga da Cruz als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der relevanten Bestimmungen der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Strong Segurança SA (im Folgenden: Strong Segurança) und dem Município de Sintra (Gemeinde Sintra, Portugal) wegen der Vergabe eines Auftrags über die Erbringung von Wach- und Sicherheitsdiensten für die Einrichtungen dieser Gemeinde.
Rechtlicher Rahmen
Die relevanten Vorschriften der Richtlinie 2004/18
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 18 und 19 der Richtlinie lauten:
„(18) Der Dienstleistungsbereich lässt sich für die Anwendung der Regeln dieser Richtlinie und zur Beobachtung am besten durch eine Unterteilung in Kategorien in Anlehnung an bestimmte Positionen einer gemeinsamen Nomenklatur beschreiben und in zwei Anhängen, II Teil A und II Teil B, nach der für sie geltenden Regelung zusammenfassen. Für die in Anhang II Teil B genannten Dienstleistungen sollten die Bestimmungen dieser Richtlinie unbeschadet der Anwendung besonderer gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen für die jeweiligen Dienstleistungen gelten.
(19) Die volle Anwendung dieser Richtlinie auf Dienstleistungsaufträge sollte für eine Übergangszeit auf Aufträge beschränkt werden, bei denen ihre Bestimmungen dazu beitragen, alle Möglichkeiten für eine Zunahme des grenzüberschreitenden Handels voll auszunutzen. Aufträge für andere Dienstleistungen sollten in diesem Übergangszeitraum beobachtet werden, bevor die volle Anwendung dieser Richtlinie beschlossen werden kann. Es ist daher ein entsprechendes Beobachtungsinstrument zu schaffen. Dieses Instrument sollte gleichzeitig den Betroffenen die einschlägigen Informationen zugänglich machen.”
Rz. 4
Art. 1 Abs. 2 Buchst. d Satz 1 sieht vor:
„‚Öffentliche Dienstleistungsaufträge’ sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.”
Rz. 5
Art. 2 („Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen”) bestimmt:
„Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend und gehen in transparenter Weise vor.”
Rz. 6
Art. 4 („Wirtschaftsteilnehmer”) sieht in Abs. 2 vor:
„Angebote oder Anträge auf Teilnahme können auch von Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern eingereicht werden. Die öffentlichen Auftraggeber können nicht verlangen, dass nur Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern, die eine bestimmte Rechtsform haben, ein Angebot oder einen Antrag auf Teilnahme einreichen können; allerding...