Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Verträge, nach denen ein rumänisches Unternehmen verpflichtet ist, Marken an ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat abzutreten. Weigerung. Gerichtsstandsklausel zugunsten des Drittstaats. Widerspruchslose Einlassung des Beklagten auf das Verfahren vor den rumänischen Gerichten. Maßgebende Zuständigkeitsvorschriften
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001
Beteiligte
Cristian Mircea Anastasiu |
Tenor
1. Art. 23 Abs. 5 und Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sind dahin auszulegen, dass sich im Rahmen eines Rechtsstreits über die Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung, mit dem der Kläger die Gerichte des Mitgliedstaats befasst hat, in dem der Beklagte seinen Sitz hat, die Zuständigkeit dieser Gerichte aus Art. 24 der Verordnung ergeben kann, wenn der Beklagte nicht den Mangel der Zuständigkeit geltend macht, obwohl der zwischen den beiden Parteien geschlossene Vertrag eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats enthält.
2. Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass er es im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Parteien eines Vertrags, der eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats enthält, dem angerufenen Gericht des Mitgliedstaats, in dem der Beklagte seinen Sitz hat, verwehrt, sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, obwohl der Mangel der Zuständigkeit vom Beklagten nicht geltend gemacht wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) mit Entscheidung vom 5. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 20. April 2015, in dem Verfahren
Taser International Inc.
gegen
SC Gate 4 Business SRL,
Cristian Mircea Anastasiu
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Taser International Inc., vertreten durch S. Olaru, C. Radbâţă und E. Bondalici, avocaţi,
- der rumänischen Regierung, vertreten durch R. H. Radu und D. M. Bulancea als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Gheorghiu und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Nr. 4, Art. 23 Abs. 5 und Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Taser International Inc. (im Folgenden: Taser International), einer Gesellschaft mit Sitz in den USA, einerseits und der SC Gate 4 Business SRL (im Folgenden: Gate 4), einer Gesellschaft mit Sitz in Rumänien, und Herrn Cristian Mircea Anastasiu, ihrem Geschäftsführer, andererseits über die Erfüllung der dieser rumänischen Gesellschaft obliegenden vertraglichen Verpflichtung zur Abtretung von Marken an Taser International.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:
„Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.”
Rz. 4
Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”
Rz. 5
Art. 22 „Ausschließliche Zuständigkeit”) der Verordnung sieht vor:
„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig:
…
4. für Klagen, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, die einer Hinterlegung oder Registrierung bedürfen, zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines Gemeinschaftsrechtsakts oder eines zwischenstaatlichen Übereinkommens als vorgenommen gilt.
…
…”
Rz. 6
In Art. 23 der Verordnung heißt es:
„(1) Haben ...